Merkel in Washington: Europäer sollen mehr tun
Kanzlerin Merkel reist nach Washington – dort geht es um die Frage der weiteren Strategie in Afghanistan, sagt sie. Politologen sagen, "der Druck auf die europäischen Verbündeten wächst".
WASHINGTON taz | Die Absage der Stichwahl in Afghanistan bringt US-Präsident Barack Obama in die Bredouille: Denn seine Strategie für Afghanistan wollte er erst nach der Klärung der politischen Verhältnisse verraten.
Jetzt hat er dort weder einen rechtmäßig gewählten Regierungspartner noch einen Vorwand, länger mit seiner Entscheidung über eine mögliche Truppenaufstockung zu warten. Je mehr in den USA der Widerstand gegen Krieg wächst, umso wichtiger werden für Obama die Zusagen der Verbündeten. Die Erwartungen an Kanzlerin Angela Merkel sind groß.
Nach Abdullahs Rückzieher aus der inzwischen abgesagten Stichwahl versuchte Obamas Chefberater David Axelrodt, die Pleite zu relativieren: Laut Umfragen hätte Abdullah sowieso verloren, meinte Axelrodt im Fernsehsender CBS, also könne man auch mit der Regierung arbeiten, die da sei. Allerdings müssten mit Karsai Themen wie Korruption diskutiert werden.
Merkel hat bereits angekündigt, dass sie an diesem Dienstag bei ihrem Besuch in Washington mit Obama über die Entwicklung in Afghanistan sprechen will. Es gehe um "die Frage der weiteren Strategie", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.
In den USA lautet die Frage indes längst nicht mehr ob, sondern nur wie viele Soldaten Obama zusätzlich nach Afghanistan schicken will. Klar ist auch, dass Obama dafür Schützenhilfe braucht, denn nach Umfragen sind weit mehr als die Hälfte seiner Landsleute gegen den Krieg.
"Der Druck auf den Verbündeten Deutschland wächst", meint Stephen Szabo, Politologe beim überparteilichen Thinktank German Marshall Fund in Washington. "Der europäische Input in diesem Entscheidungsprozess ist wichtig, sonst entsteht der Eindruck, dies sei ein exklusives Problem der USA", meint Szabo.
Wie andere Beobachter auch verspricht er sich vom Besuch der Kanzlerin sogar tiefgreifende Zusagen. "Deutschland hat einen neuen Verteidigungsminister, der das sicherlich nicht geworden wäre, wäre er nicht davon überzeugt, dass Deutschland sein militärisches Profil erweitern muss", meint der Politologe.
Seiner Meinung nach täte die Kanzlerin gut daran, "wenn sie sagen würde: Beide Staaten sollten Teil der neuen Strategie sein, und Deutschland ist dazu bereit, das Mandat der Bundeswehr auszudehnen und die Zahl der Soldaten zu erhöhen."
Szabo und andere Transatlantiker wünschen sich, dass Merkel ihren US-Besuch nutzt, um zu signalisieren, dass Deutschland als starker Partner künftig eine aktivere Rolle in der Allianz einnimmt. "Ich denke, wir brauchen eine selbstbewusstere Stimme von ihr als bisher."
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