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Menschenkette um die Mainzer Straße

■ Demonstranten bilden Menschenkette/ Magistrat sagt Runden Tisch ab: Rathausbesetzer klauten Unterlagen

Friedrichshain. Trotz der Temperatur von unter Null Grad kamen gestern etwas über 1.000 Menschen zu den vor eineienhalb Wochen geräumten Häusern in der Mainzer Straße. Nach einer Kundgebung wollten sie eine Menschenkette um die Friedrichshainer Häuserzeile bilden. Ob die Zahl der Teilnehmer allerdings für das Vorhaben reichte, blieb bis Redaktionsschluß offen.

Auf der Kundgebung am Wismarplatz forderte Peter Brasch von einem »Initiativkreis besetzter Häuser«, dem neben 50 Besetzern und Anwohnern auch Prominente angehören sollen, daß alle friedlich besetzten Häuser eine Nichträumungsgarantie erhalten müßten. Der Sprecher erneuerte die Forderungen der Ex—Besetzer, daß die Polizei von der leeren Zeile abgezogen und die Häuser an die Bewohner zurückgegeben werden müßten.

Ein Besetzer zählte erneut angebliche Übergriffe von Polizisten während der Räumung auf. Den Vorwurf von Oberbürgermeister Schwierzina, wonach die 100 Leute, die am vergangenen Freitag das Rote Rathaus besetzt hielten, um einen Runden Tisch mit Politikern durchzusetzen, 500 Mark aus seinem Portemonnaie, Unterlagen für den Bundesrat und private Briefe von Anwohnern der Mainzer Straße gestohlen hätten, dementierte er nicht. Er fand es aber lächerlich, daß Innenstadtrat Krüger und der Stadtrat für Stadtentwicklung, Thurmann, das für heute angekündigte Gespräch deshalb absagten. »Der eingeforderte Dialog scheitert allein am politischen Unwillen des Magistrats«, hieß es in einer Erklärung eines »Informations- und Pressebüros Mainzer Straße und anderer besetzter Häuser«. Der Stadtbezirksverordnete Patrice Poutrus (PDS) bot an, Schwierzina die 500 Mark persönlich zu bezahlen, wenn tatsächlich das fehlende Geld der Grund für die Gesprächsabsage sei. Die Briefe der Anwohner könne man selbst schreiben.

Tino Schwierzina erklärte am Samstag zur entwendeten Post, daß sich Anwohner der Mainzer Straße über Belästigungen und die steigende Anzahl von Kleinkriminalität beschwert hätten. Für Innenstadtrat Thomas Krüger sind die Besetzer des Roten Rathauses, die dort hehre Ziele vor sich hergetragen hätten, »provinziell und borniert«.

Inzwischen sind die Schäden in der Mainzer Straße größtenteils behoben. Fast die gesamte Straße ist wieder befahrbar, wenn auch nur Anwohner mit ihren Autos hereinfahren dürften, erklärte ein Polizist. Vor den ehemals zwölf besetzten Häusern ist ein Bauzaun aufgestellt, hinter dem Gitter häuft sich Bauschutt. Mit Renovierungsarbeiten ist aber offenbar noch nicht begonnen worden. In den Häusern fehlen weiterhin Fenster, gestern waren lediglich zwei angelieferte Paletten mit weißen Steinen zu sehen. Der Bagger, mit dem die Besetzer am Montag vor zwei Wochen die Straße aufrissen, steht immer noch funktionslos an der gleichen Stelle wie kurz nach der Räumung. Dirk Wildt

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