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Neues aus Ohlenstedt (1)Meisen-Ini bleibt!

■ Bedenkliche Entwicklungen in der Hausbesetzer-Szene

Der Briefkasten ist seit Mitte Mai von gewaltbereiten Kohlmeisen besetzt. Postbote Kück („Meinem Kollegen haben Kohlmeisen ein Auge ausgepickt!“) wirft die Briefe jetzt hastig hinter die Gartenpforte. Bei jedem Wetter. Seit letzter Woche nistet der Gartenrotschwanz frech im Zeitungsrohr und zankt gewaltig, wenn man sich mal ansehen will, was er da so alles reinschleppt. Die Zeitungsfrau („Näi, die Tierchen!“) legt die Journale auf das Mäuerchen. Bei jedem Wetter.

Den Weg zum Vordereingang hat Rosi gesperrt, weil im Tintenbeerenbusch seit Freitag die sensible Mönchsgrasmücke aus kleinen Wurzeln ein filigranes Nestchen baut und angeblich bei kleinsten Störungen ihre Brut im Stich läßt.

Die Feldsperlinge sitzen derweil enttäuscht in der Birke, weil der seltene Trauerschnäpper sie aus dem Meisen(!)kasten geschmissen hat. Der vogelkundige Herr von Bröckel sagt, daß man die Trauerschnäpper möglichst wenig stören soll und diesen Teil des Gartens evtl. erst später ...

Im Weißdorn, in einem selten dämlich und auffällig gebauten Nest, zieht die Drossel ihre Jungen groß. Klümpchen, die Katze des Nachbarn, muß mit ständigen Handfegerbreitseiten von ihrem mordlüsternen Vorhaben abgebracht werden. Rosi, Jürgen und ich teilen den sechzehnstündigen Wachdienst unter uns auf.

Die restlichen acht Stunden des Tages bzw. der Nacht bestreiten unsere gefiederten Freunde dann ganz in eigener Regie. Der Zaunkönig ist der erste. Um zwanzig nach Vier in der Frühe schmettert er unterm Schlafzimmerfenster in derart hohen Tönen, daß es in den Ohren klirrt. Dann fallen von fern und nah in deutlichem Crescendo Amseln und Drosseln in den vergnügten Gesang ein. Gegen sieben Uhr läßt der Lärm etwas nach; dann kann man mit Glück und autogenem Training noch ein Mützchen Schlaf einfangen.

Jürgen hat von seinem Vater ein Elefantengewehr geerbt. Es hängt in der Diele. Manchmal, frühmorgens gegen Fünf, sieht er es mit einem ganz merkwürdigen Blick an. Seine Fingerknöchel werden weiß, und sein Unterkiefer schiebt sich vor. Er murmelt etwas von Öko-Terror und dem fehlenden Respekt der Vogelwelt vor menschlichem Lebensraum: „Die haben doch den ganzen Wald. Warum wohnen die gerade bei uns?“

Ich erinner' mich dunkel. Wann war das noch mal? 1980 etwa. Damals waren Jürgen, Rosi und ich bei den Hausbesetzern in der Lüneburger Straße. Und Jürgens größter Spaß war es, nachts um Drei die Stereoanlage aufzudrehen, daß ein „Ton Steine Scherben“-Song vollfett durch die Straße dröhnte: „Das ist unser Haus/ schmeißt doch erst mal Krupp und Hoesch und Flick aus Deutschland raus!“

Lutz Wetzel

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