: Mein erster Waschbrettbauch
Männermagazin Men's Health aus Bahrenfeld wird in diesem Monat fünf Jahre alt. Frauenfeindlich soll das aber alles nicht sein ■ Von Peter Ahrens
Wer nach Waschbrettbäuchen fahndet, läuft an Wolfgang Melcher vorbei. Er muss keinen Stahl-Body haben. Er muss auch kein Super-Liebhaber sein, kein Sex-Gott, kein Freeclimber, kein Fitness-Fetischist, kein Hantelstemmer. Er muss keinen ausgebildeten Latissimus haben, keine Armani-Anzüge tragen, keinen Alfa Romeo über italienische Serpentinen steuern und keine Omega Speedmaster Professional Mondphase-Uhr für 7800 Mark am Handgelenk hängen haben. Er muss nur drüber schreiben, und das tut er auch. Er sitzt in der dritten Etage in einem umgebauten Kesselhaus in Bahrenfeld und produziert das, was man in der Redaktion für Männerträume hält. Seit jetzt exakt fünf Jahren macht Men's Health. Das Magazin für Männer „Nutzwertjournalismus“ zwischen „Penis: So gehorcht er Ihnen aufs Wort“ und „Pizzaservice: Wer Ihnen das beste Essen bringt.“
Bei Men's Health bekommen „Männer genau das geliefert, was sie erwarten können“, sagt der stellvertretende Chefredakteur Melcher. Sie erwarten demnach Geschichten über Ayurvedische Schlammpackungen, über Kalorienwerte am Kalten Buffet, Tipps, „bei denen sie im Bett nie nein sagt“, aber auch Geschichten über Prostatakrebs und über die seelischen Folgen einer Vergewaltigung. „Das Kraftpaket für den ganzen Körper – wirkt in zwei Stunden“, „Meine zehn größten Sex-Fehler: Fehler 8: Sex mit zwei Frauen“: Ist das noch Journalismus? Melcher sagt: „Bei uns in der Redaktion träumt niemand von der großen investigativen Reportage.“ Vielmehr wolle man „Nützliches mit hohem Unterhaltungswert und zur Entspannung“ liefern.
Ein Anspruch, der für eine verkaufte monatliche Auflage von 270.000 Exemplaren reicht – 120.000 mehr als zum Start vor fünf Jahren. Men's Health ist in die Lücke irgendwo zwischen Playboy und Max gestoßen, „eine Zeitschrift, die man auch vor der Freundin liegen lassen kann“, findet Melcher. Hochglanz für die gut Verdienenden, die Zeitschrift wird mehrheitlich von Männern gelesen, die so aussehen: Zwischen 20 und 35 Jahre alt, Nettoeinkommen jenseits der 6000 Mark, sportlich aktiv, Singles oder in der Partnerschaft lebend – „die Zielgruppe ist für die Werbewirtschaft sehr interessant“, sagt der stellvertretende Redaktionschef. Die Anzeigenkunden drängeln sich.
Sex, Erotik, Kleidung, Reisen, Körper – der männliche Blick als alleiniger Maßstab. Frauenfeindlich sei Men's Health deswegen aber nicht, darauf legt Melcher großen Wert. „Bei uns werden Frauen ernst genommen.“ Das sei bei der Konkurrenz von FHM anders: „Für die sind Frauen ein Gebrauchsgegenstand.“ Die Redaktion ist halbe-halbe männlich-weiblich besetzt, Frauen arbeiten als Art Directorin und als Chefin vom Dienst. Eine Chefredakteurin beim Männermagazin? Melcher kann sich das vorstellen, „ist aber bisher noch nicht vorgekommen“. Es gebe Themen, die lässt er nur von Männern schreiben: „Impotenz zum Beispiel.“ 20 Prozent der LeserInnen seien Frauen: „Die lesen uns, um zu wissen, wie Männer ticken.“
Dass man „einen ganz engen Kontakt zu unseren Lesern“ hat, will Melcher daran erkennen, dass man täglich zehn Leserbriefe bekomme. „Sonst ist es bei solchen Zeitschriften ja üblich, dass man sich die Leserbriefe selber schreibt, weil man nie welche erhält.“ Bei Men's Health sei das anders, ein Leser hat der Redaktion sein Röntgenbild zugeschickt: „Der hat der Diagnose seines Arztes nicht getraut und wollte unsere Meinung dazu wissen.“ Beispiel-Leserbrief: Meine Freundin sagt, Unterwäsche wird bei 60 Grad gewaschen, ich behaupte, bei 40 Grad. Wer hat recht? Antwort: Beide.
Ab und zu macht die Zeitschrift so genannte Aktiv-Touren, an denen Leser teilnehmen. Die Kurse heißen „Mein erster Triathlon“ oder „So komme ich zu einem Waschbrettbauch.“ Auf dem Redaktionsflur stehen Trimmgeräte.
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