: Mein Schatten und sie
■ Endloser Flirt, intim serviert: Käthchen – Mädchen nach Heinrich von Kleist diskutiert die Unmöglichkeit der Liebe inmitten einer kleinen Tischgesellschaft
Das Käthchen muß wahnsinnig sein, meint Ritter Friedrich Wetter Graf vom Strahl. Der Mann mit dem klangvollen Namen gehört zu Heinrich von Kleists „großem historischen Ritterschauspiel“ Das Käthchen von Heilbronn, das mit Dutzenden von Figuren in mittelalterlichen Burgen und Städten eine seltsame Begebenheit erzählt. Die Bürgerstochter sieht den Grafen, fällt auf der Stelle auf die Knie und klebt sich, „einem Hunde gleich“, an seine Fersen. „Wenn ich mich umsehe, erblick' ich zwei Dinge: meinen Schatten und sie“, sagt Friedrich. Daß sie sich zum Gespött macht, ist dem Mädchen egal. Der Graf wimmelt ab, ist aber „verliebt wie ein Käfer“ und bestreitet das nicht. Also, wo liegt das Problem? Warum kommen die beiden nicht zusammen, alle Hindernisse und Standesschranken überwindend wie ein echtes Märchenpaar?
Am Ende sind sie eins: Das Käthchen ist eine verkappte Kaiserstochter, und so kann schließlich geheiratet werden. Doch vor das Happy End setzte der Autor eine Geschichte, die wie ein „über lange Zeit hinausgezögerter Flirt“ wirkt, meint Elisabeth Moll. Die Schauspieltheaterregie-Studentin nennt ihre Inszenierung Käthchen Mädchen? Oder die 3-5 Gründe, warum man nicht zusammensein kann, und hat aus dem Text eben diese Beziehung extrahiert.
Das Spiel, das „immer wieder von neuem ansetzt, um so sicher nicht ans eigentliche Ziel zu kommen“, wird überaus intim und direkt serviert. In einer Erdgeschoßwohnung in der Schäferstraße empfangen Ritter Strahl (Matthias Breitenbach) und Käthchen (Miriam Fiordeponti) ihre Gäste und geleiten sie zu Tisch. Das historische Brimborium ist auf minimale Störfaktoren reduziert: Fräulein Kunigunde sendet böse Faxe, und es klingelt auch schon mal an der Tür. Ansonsten fliegen zwischen Aperitif und Digestif die geschraubten Kleistschen Sätze von einem Tischende zum anderen. Der Ritter, der sein Mädchen anseufzt, legt nebenbei die Artischocken vor, das Käthchen tischt den Kuchen auf.
Jeder der zwölf Zuschauer hat eine andere Perspektive, und niemand soll sich allzu sicher fühlen. Darf man sich einmischen in einen so privat wirkenden Clinch? Die Irritation ist beabsichtigt. Durch den Verzicht auf eine herkömmliche Bühne entsteht eine spannungsgeladene, risikoreiche Situation, deren Erfolg auch vom Verhalten der Gäste abhängt. Doch allzu stark ist die Gefahr auch wieder nicht: Schließlich hat das Publikum ein leckereres Drei-Gänge-Menü vor sich, das bewältigt werden will.
Barbora Paluskova
Premiere: Donnerstag, 20. August (ausverkauft). Weitere Vorstellungen: 21.-23.8. und 28.-30.8, 14 Uhr, 25.-29.8., 21 Uhr, Schäferstraße 7. Karten nur im Vorverkauf, Tel.: 45 96 04
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