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Archiv-Artikel

Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

Es mag daran liegen, dass Sven Johne von Rügen stammt. Auf einer Insel gibt es nicht viel, um das man lange drum herum schnacken könnte. Schon gar nicht bei so offensichtlicher Geschichte, wie sie auf der größten Insel der Deutschen zu finden ist. Von Caspar David Friedrichs Kreidefelsen über den total größenwahnsinnigen Versuch der Nazis, mit Prora das Megaseebad schlechthin zu erbauen, bis zu Ulrich Müthers avangardistischer Schalenbau-Beton-Technik, der Horizont reicht auf Rügen weit über das Meer hinaus. So ist es vielleicht verständlich, dass Sven Johne auch für seine aktuelle Schau bei Klemm’s uns ohne Umwege direkt zu Leerstellen führt, die wir in nahezu intuitiv selber füllen. Dazu folgte Johne dem Wanderzirkus Probst über mehrere Monate durch Ostdeutschland. Erst wenn die Zelte abgebaut waren, erschien er und fotografierte den verlassenen Spielort. Die Tristesse der Dorfplätze bildet die grauen Hintergründe für die Verknüpfung von Sehnsüchten und Realitäten, die ein Zirkusunternehmen repräsentiert. Unweigerlich scheinen die Bilder – die imaginierten wie die fotografisch wiedergegebenen – in ihrer Kombination in ein gesellschaftliches Disaster zu führen. Der alte Zirkusslogan vom „Höher – schneller – weiter“ ist längst bittere Realität geworden. „Das haben wir so nicht gewollt …“, hört man das Publikum murren. Zu Spät! Schon sind die ZirkusbesucherInnen zu AkteurInnen geworden. Johne verstärkt die aufgeladene Athmosphäre noch durch einem selbstverfassten Text, der als Video, wie in einem Wettcafé, über den Köpfen der AusstellungsbesucherInnen läuft: Unbizarr, ja brutal beschreibt der Sprecher die Zirkusshow. Alles nur ein Albtraum? Man würde es sich wünschen. Aber dann gäbe es die hervorragende „Greatest Show on Earth“ nicht. In der Berlinischen Galerie sind derweil noch drei Videos von Sven Johne zu sehen.

■ Sven Johne: Greatest Show on Earth, bis 17. Dezember, Di–Sa 11–18 Uhr, Klemm’s, Brunnenstr. 7; Sven Johne: IBB-Videolounge bis 28. 11., Mi–Mo 10–18 Uhr, Berlinische Galerie, Alte Jakobstr. 124