Mehrwertsteuer auf Hygieneartikel: Weniger bluten
Die Briten schaffen die Mehrwertsteuer auf Tampons ab. Richtig so – wären da nicht die EU-Gegner, die das durchgefochten haben.
In Großbritannien feiert David Cameron sich aktuell für die komplette Aufhebung der Mehrwehrtsteuer auf Hygieneartikel. Die sogenannte „tampon tax“, die in Großbritannien bisher 5 Prozent betrug, war zuvor medienwirksam von zwei Gruppen angegriffen worden: Erst von Frauenrechtlerinnen – weil es ungerecht sei, etwas so Notwendiges wie Tampons und Binden zu besteuern.
Und dann von EU-Kritikern, die darauf pochen, dass es die Steuer überhaupt nur gebe, weil das EU-Recht eine Mindestbesteuerung aller Hygieneartikel von 5 Prozent vorschreibt: Der Sexismus sei von Brüssel diktiert, nicht von London gewollt. Dass es eine von Großbritannien durchgesetzte Sonderregelung gibt, die Männerrasierer mit 0 Prozent besteuert, blieb in dieser Argumentation unerwähnt.
Mit der Abschaffung der Steuer brüstet sich Cameron nun also vor allem deshalb, weil er – erklärter Gegner des Brexit – damit bewiesen hat, dass man sich den Fremdbestimmern der EU nicht komplett unterworfen hat, sondern durchaus Paroli bieten kann.
Doch auch abgesehen von der Sache mit den Männerrasierern hat die Geschichte einen Haken: Besteuerung von Damenhygieneartikeln gab es schon vor dem EU-Beitritt Großbritanniens 1973. Damals lag sie sogar bei satten 17,5 Prozent und die Gentlemen in charge sahen keinerlei Anlass, sich um eine Aufhebung der Steuer zu bemühen, wie es etwa Irland schon vor EU-Beitritt getan hatte. Erst im Jahr 2000 wurde die britische Tamponsteuer auf Initiative einer Labour-Politikerin auf den Mindestsatz von 5 Prozent gesenkt.
Mehr Steuern für Periode als für Fischeier
Die Debatte ist ein gutes Beispiel für die Absurdität und den Opportunismus im britischen Brexit-Gerangel. Die Besteuerung von Tampons und Binden als Luxusgut ist aber tatsächlich vor allem eines: internationaler Sexismus, der auch in Deutschland praktiziert wird. Hier zahlt man für die „Luxusartikel“ Binden und Tampons 19 Prozent Steuern, während beim Kauf von Kaviar, Toilettenpapier und Blumen nur 7 Prozent fällig werden. De facto müssen Frauen in Deutschland also für ihre Periode doppelt so viele Steuern zahlen wie einige Feinschmecker für Fischeier.
Schon vor den Briten haben andere Staaten ihre Gesetze in diesem Punkt geändert: 2011 beschloss das kenianische Parlament die Aufhebung von Steuern auf Damenhygieneartikeln. Im Juli 2015 folgte Kanada, fünf Monate später Frankreich mit einer Steuersenkung von 20 auf 5 Prozent. Diese enorme Kürzung kostet unser Nachbarland 55 Millionen Steuereinnahmen jährlich. Betrachtet man die Tamponsteuer also im größeren Rahmen, ist sie auch finanziell gesehen alles andere als banal.
Das wichtigste Argument für ihre Bedeutsamkeit ist schließlich, dass auch für viele andere Produkte, die nichts mit Dekadenz zu tun haben, Mehrwertsteuern anfallen. In Großbritannien werden zum Beispiel auch Inkontinenzeinlagen für Schwangere, Autositze für Kinder und Gehilfen für Senioren mit 5 Prozent besteuert. Über diese Ungerechtigkeit diskutiert niemand.
Was ist Luxus, was Notwendigkeit
Immerhin hat die Tamponsteuer-Debatte bereits zu einer Untersuchung der EU-Kommission geführt, die die Vorschriften für Sonderbesteuerung und Mehrwehrtsteuern in den Mitgliedstaaten allgemein reformieren soll. Danach könnte den einzelnen Ländern wesentlich mehr Freiraum bei der Bestimmung von Mehrwertsteuersätzen gewährt werden.
Die Debatte muss ein Anlass sein, gesetzgeberisch klar zu definieren, was ein Luxusgut und was reine Notwendigkeit ist. Auch in Deutschland. Bestehende Nachteile für ohnehin diskriminierte Gruppen wie Frauen, Senioren und Kinder dürfen nicht zementiert werden.
Auch wenn man Großbritannien dafür kritisieren kann, dass es die Tamponsteuer letztendlich nicht aus Idealismus, sondern wegen des Brexit-Referendums durchgesetzt hat, sollte man nicht vergessen, dass auf dem Inselkönigreich bereits jede Frau das Anrecht auf eine kostenlose Antibabypille hat. Für die Frauen in Deutschland immer noch viel Geld bezahlen müssen. Luxus halt.
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