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Archiv-Artikel

Mehrwert à la Merkel

AUS BERLIN SABINE AM ORDE

CDU und CSU wollen mit der unpopulären Forderung nach der Erhöhung der Mehrwertsteuer in den Wahlkampf ziehen – und im Gegenzug die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung senken. Das Wahlprogramm der Union, das CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber heute offiziell vorstellen werden, sieht vor, dass die Verbrauchsteuer bereits zum Januar 2006 von derzeit 16 auf 18 Prozent ansteigen wird. Noch vor kurzem hatte sich ein Großteil der Union gegen Erhöhungen ausgesprochen. Nun sollen nur die ermäßigten Mehrwertsteuersätze, die zum Beispiel für Lebensmittel, Bahnfahrten und Bücher erhoben werden, nicht angetastet werden.

Die Erhöhung der Verbrauchsteuer soll mehr als 16 Milliarden Euro in die Staatskasse fließen lassen. Mit den zusätzlichen Einnahmen will die Union den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,5 Prozent senken. „Wenn wir die Leistung erbringen, die Lohnnebenkosten zu senken, dann ist es gerechtfertigt, eine indirekte Steuer anzuheben, weil wir keine andere Wahl haben“, sagte Merkel am Wochenende auf einem Landesparteitag in Emden. So will die Union die Unternehmer dazu bewegen, neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Die Kanzlerkandidatin wollte eigentlich die gesamten Einnahmen der Steuererhöhung in die Senkung der Lohnnebenkosten investieren, konnte sich damit aber gegen CSU-Chef Stoiber nicht durchsetzen. Nun soll ein Teil des Geldes in die Bundesländer fließen, die es zur Haushaltskonsolidierung einsetzen können. Wie viel die Länder bekommen werden, ist im Wahlprogramm der Union nicht festgeschrieben. Im Gespräch sind nach verschiedenen Medienberichten bis zu 5 Milliarden Euro.

In diesem Fall allerdings könnte es knapp werden mit der Finanzierung der Beitragssenkung: Denn die Reduzierung des Beitrags um 2 Prozentpunkte würde etwa 16 Milliarden Euro kosten – also genau jenen Beitrag, der mit der Mehrwertsteuererhöhung in die Staatskasse fließen soll. Deshalb will die Union zudem Geld, das sie bei der Bundesagentur für Arbeit einsparen will, in die Beitragssenkung stecken. Nicht mehr im Gespräch dagegen ist, mit den Einnahmen aus der Mehrwertsteuerhöhung die Kopfpauschale zu finanzieren. Die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ist im Wahlprogramm zwar noch vorgesehen – gegenfinanziert aber scheint sie nicht zu sein.

Von der geplanten Umverteilung würden zunächst die Arbeitgeber und all jene Arbeitnehmer profitieren, die nicht schlecht verdienen. Denn eine Erhöhung der Mehrwertsteuer trifft zwar alle Konsumenten, besonders aber jene mit geringen Einkommen: Während besser Verdienende ein Teil des Geldes an die Seite legen, geben Geringverdiener das meiste gleich wieder aus. Die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung wiederum nützt den Arbeitgebern und auch all jenen, die einen sozialversicherungspflichtigen Job haben. Beide Gruppen würden insgesamt je 8 Milliarden Euro einsparen. Arbeitslose, Rentner, Selbstständige und Studenten profitieren davon nicht – und müssen über die Mehrwertsteuer kräftig draufzahlen.

Mit ihren Plänen stoßen CDU und CSU auf breite Kritik. Besonders ihr Wunschkoalitionspartner FDP regierte scharf auf das Vorhaben. „Wir werden alles daransetzen, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zu verhindern“, kündigte FDP-Chef Guido Westerwelle am Wochenende an. Denn eine höhere Mehrwertsteuer fördere die Schwarzarbeit, senke die Kaufkraft und erhöhe die Lebenshaltungskosten, so Westerwelle.

Nicht ausgeschlossen aber ist, dass die Liberalen im Falle einer Regierungsbeteiligung umkippen: In der Vergangenheit hat die FDP als kleiner Partner in einer schwarz-gelben Koalition bereits mehrfach Erhöhungen der Mehrwertsteuer mitgetragen.