■ Kommentar: Mehrheit ohne Basis
Die Sozialdemokraten sind im Aufwind, und die Große Koalition ist ein Auslaufmodell für die WählerInnen. Damit ist aber bereits Schluß mit den guten Nachrichten für die SPD. Denn der Sympathiezuwachs ist eben nicht ihrer hervorragenden Regierungsarbeit in der Großen Koalition geschuldet, sondern eher dem Überdruß der Berliner an dem lähmenden Gewürge dieser Senatskoalition. Wenn es eine Mehrheit für ein rot-grünes Regierungsbündnis ohne die PDS gibt, dann spielt dabei auch die Aufbruchstimmung der Bundes-SPD eine Rolle.
Die Berliner SPD jedenfalls wäre schlecht beraten, mit der Umfrage im Gepäck nun auf vorzeitige Neuwahlen hinzusteuern. Dies gilt um so mehr, als die Infratest-Erhebung ein gravierendes Personalproblem der SPD aufzeigt. Mit Köpfen nämlich sind die guten Umfragewerte nicht verbunden. Allein dem in der Partei isolierten Walter Momper traut jeder zehnte Berliner die Rolle eines Spitzenkandidaten zu. Alarmierend, daß selbst Fraktionschef Klaus Böger nur fünf Prozent Zustimmung findet. Zwei Drittel der Befragten kennen ihn nicht.
Wundern dürfen sich die Sozialdemokraten darüber nicht. Zu viele Funktionäre sind daran interessiert, selbst in den Ring zu steigen, als daß sich die Partei darauf verständigen könnte, einen Spitzenkandidaten aufzubauen. Wer sich vorwagt, wird notfalls gestutzt. Solange sich dies nicht ändert, bleiben die Umfrageergebnisse ein Muster ohne Wert für rot-grüne Träume. Beim Blick auf das Berliner Personal der SPD stellt sich freilich die Frage, ob die hiesigen Sozialdemokraten diese Aufgabe überhaupt lösen können oder ein Spitzenkandidat nur von außerhalb Berlins kommen kann. Gerd Nowakowski
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