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Mehr Tunnel, mehr Unfälle

■ Bau und Umweltressort wollen nur zwei Spuren im Hemelinger Tunnel / Wedemeier und FDP strikt für die Doppelröhre / Geringer Preisunterschied

Je breiter der Tunnel, desto mehr Spuren, desto weniger Gedränge, desto schneller, umso besser – denkt man. Stimmt aber nicht so, sagt jetzt die Baubehörde in einer Senatsvorlage zum Hemelinger Tunnel. Zur Erinnerung: Dieser Tunnel soll einmal die Wohnstraßen des hochbelasteten Stadtteils, allen voran den Brüggeweg, vom Werksverkehr der Firmen Daimler-Benz und Atlas Elektronik entlasten. Daß der Tunnel überhaupt gebaut werden soll, hat der Senat vor einem Jahr nach einem Jahrzehnt politischer Querelen beschlossen. Ob aber mit einer oder mit zwei Röhren und also mit zwei oder vier Fahrspuren, hat er damals nicht entschieden. Das Bauressort sollte zunächst eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellen. Die gibt es nun. Ergebnis: Beste aller Lösungen sei eine einzige Röhre mit zwei Spuren und einem breiten Mittelstreifen (Notspur).

Für die jetzige und auch die zukünftige Verkehrsmenge reiche die eine Röhre voll aus, sagen die von der Baubehörde befragten VerkehrsgutachterInnen. Schließlich habe ein Tunnel nicht wie eine oberirdische Straße Kreuzungen, man fahre also störungsfrei. An diesem Punkt ziehe der einröhrige Tunnel also gleich mit dem zweiröhrigen, so die Baugehörde. Bei den Unfallzahlen allerdings sei der einröhrige Tunnel eindeutig dem doppelten vorzuziehen.

Der Vergleich bestehender Tunnel zeige, daß in einröhrigen Tunneln weniger Unfälle passieren: Verunsichernde Verkehrsformen führen nämlich zu höherer Vorsicht der AutofahrerInnen. Gegenverkehr hält die Leute wach. „Auch wenn“, so die Kosten-Nutzen-Analyse, „bei Unfällen im Gegenverkehr besonders schwere Unfälle auftreten können, sind in der Bilanz aller Unfälle pro Jahr höhere Unfallkosten bei zweiröhrigen Varianten zu verzeichnen“.

Nicht zuletzt spricht für einen einröhrigen Tunnel die kürzere Bauzeit – denn wegen der hohen Kosten der Vortriebsschilder können zwei Tunnelröhren nicht parallel erstellt werden, heißt es dazu in der Vorlage des Bauressorts.

Wesentlich billiger allerdings ist eine einzige Röhre nicht – gerade mal acht Millionen Mark läge sie unter den 414 Millionen Mark, die zur Zeit für zwei Röhren veranschlagt werden. Schade, sagt man im Bauressort, die Ersparnisse hätte man gern in den ÖPNV gesteckt. Dermaßen teuer kommt der Bau eines einröhrigen Tunnels, weil der mit seinen zwei regulären Spuren plus Notspur einen so großen Durchmesser hat, daß dafür die üblichen „Maulwürfe“ nicht ausreichen. Eine Sonderanfertigung muß her.

Hauptargument der BefürworterInnen der kleinen Tunnellösung aber bleibt: Zwei Röhren würden noch mehr Verkehr anziehen und manche Leute vielleich dazu verführen, in ein paar Jahren doch wieder das Projekt Beneckendorf-Allee-Trasse ins Gespräch zu bringen.

Bislang stehen die Ressorts Bau und Umwelt allein auf weiter Flur mit dem Votum für nur eine Röhre. Die Ressorts Finanzen und Wirtschaft sowie Wedemeiers Senatskanzlei wollen zwei Röhren. Die Senatskanzlei befürchtet bei Störungen oder Blockaden der einen Tunnelröhre ausweichenden Schleichverkehr in den Wohnstraßen.

Auch der Stellvertreter des Hemelinger Ortsamtleiters, Köhler, will „bloß nichts Halbgares, und eine Röhre wäre doch so was wie ein Provisorium“. Die Grünen im Beirat Hemelingen dagegen bleiben beim Nein zur Doppelröhre: Man wolle keine zusätzlichen Verkehre anziehen, sagt die grüne Beirätin Siglinde Rosenthal. Grüne und SPD-Beiräte hatten einst zusammen gegen die Doppelröhre gestimmt.

Aber man muß auch für die Zukunft denken, gibt wiederum der FDP-Beirat Gerhard Meter zu bedenken und sieht sich darin einig mit der CDU: „Wir erwarten doch fünf Millionen mehr Kraftfahrzeuge für Deutschland.“ Deshalb müsse man nun Nägel mit Köpfen machen, was Reelles. Sonst bekäme man in Bremen denselben Stau wie vor dem Hamburger Elbtunnel. Noch knapper drückt sich Wirtschaftssenator Claus Jäger aus: „Alles andere als vier Spuren ist doch völlig daneben.“ cis

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