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Mehr Geld für Berlins BibliothekenBollwerke gegen den Populismus

Kommentar von Susanne Messmer

Die Kulturpolitik hat über ein neues Bibliothekengesetz beraten. Es soll mehr Geld geben, viel mehr Geld. Das ist schön. Doch eine bleibt ein „aber“.

Zwischen Bücherregalen in der Zentral- und Landesbibliothek Berlin in Berlin-Kreuzberg Foto: dpa/Annette Riedl

D as werden einige kennen: Die Chancen auf einen Arbeitsplatz stehen gleich null. Der neue, interessante Sachbuch­titel, über den gerade alle reden? Seit Anschaffung nonstop verliehen. Und eine Auskunft darüber, wo das Buch abgeblieben sein könnte, das angeblich nicht verliehen, aber trotzdem unauffindbar ist: vielleicht übermorgen.

Von den Großen bis zu den Kleinen sind Berlins Bibliotheken seit Jahrzehnten notorisch unterversorgt. Darum ist es überfällig, dass die Berliner Kulturpolitik in dieser Woche über ein neues Bibliothekengesetz beraten hat. Zusätzlich 37,9 Millionen Euro – jährlich – möchte die Stadt nach Stand der Dinge für ihre Bibliotheken in die Hand nehmen.

Die Betonung liegt allerdings leider auf Stand der Dinge, denn im Augenblick weiß niemand ganz genau, welche Löcher die Pandemie noch in die Budgets reißen wird. Außerdem stehen die Wahlen vor der Tür und es gilt als ziemlich ungewiss, ob ein*e an­de­re*r Kul­tur­se­na­to­r*in im selben Maße für die Bibliotheken brennen würde wie Klaus Lederer von den Linken.

Größer und bunter geworden

Dabei ist es höchste Zeit, dass die Stadt mehr Geld in die Bibliotheken steckt, denn Berlin hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Die Stadt ist größer und bunter geworden – und anders als erwartet zieht es die Menschen nicht nur trotz ihrer Smartphones und digitalen Überdrusses in die Bibliotheken, sondern teils gerade wegen der neuen Technik.

Viele Bi­blio­the­ka­r*in­nen berichten, dass sie sich gar nicht vor Anfragen retten können von alten Menschen, die das Internet erklärt bekommen möchten, und auch von jungen Menschen, die sich sofort in die Warteliste eintragen lassen würden, wenn es in der Bibliothek ihrer Wahl endlich Programmierkurse gäbe.

Man braucht nur in andere europäische Länder zu blicken, um zu sehen, welche Bedeutung Bibliotheken für die Stadtgesellschaft bekommen können, wenn sie über mehr Raum, Personal und Medien­budgets verfügen.

In der 2020 fertig­gestellten Deichman-Bibliothek in Oslo können Be­su­che­r*in­nen Computerspiele spielen, im Minikino Filme gucken, es gibt ein Tonstudio, Nähmaschinen, 3D-Drucker und diverse Werkzeuge zum kostenfreien Gebrauch. Die 2018 eröffnete Bibliothek Oodi in Helsinki bietet Medienräume, einen Saal mit intelligenten Wänden und sogar eine Sauna. Und in London werden die Stadtteilbibliotheken schon seit knapp 20 Jahren durch „Idea Stores“ inklusive Hausaufgabenbetreuung, Fernstudium, Erwachsenenbildung und Gastronomie ersetzt.

Bibliotheken sind längst keine staubigen Bücherkisten mehr

So etwas ist von unschätzbarem Wert für die Stadtgesellschaft in einer Zeit, wo der Raum knapper wird und wo sich zunehmend Menschen die Welt, wie sie ihnen gefällt, aus dem Netz zusammenklauben. Insofern ist es gut, dass die Berliner Politik zumindest schon mal erkannt hat, dass Bibliotheken längst keine staubigen Bücherkisten mehr sind.

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Redakteurin taz.Berlin
Jahrgang 1971, schrieb 1995 ihren ersten Kulturtext für die taz und arbeitet seit 2001 immer wieder als Redakteurin für die taz. Sie machte einen Dokumentarfilm („Beijing Bubbles“) und schrieb zwei Bücher über China („Peking" und "Chinageschichten“).
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