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■ GastkommentarMehr Bescheidenheit!

Berliner Junkies jubeln – die Senatoren klopfen sich wechselseitig auf die Schultern – alles ist gut. Allerdings wäre etwas mehr Bescheidenheit der zuletzt Genannten wünschenswert gewesen. Ein ähnliches Modell existiert seit Jahren in Hamburg.

Aber immerhin ist mit dem soeben vorgestellten Finanzierungskonzept zur Ausweitung der psychosozialen Betreuung der Substitution zunächst einmal überhaupt die Grundlage gegeben, daß mehr HeroinkonsumentInnen als bisher die elenden Bedingungen illegalen Heroinkonsums gegen die Vorzüge einer gesicherten und sauberen Opiatvergabe eintauschen können. Insofern ist diese Neuregelung wirklich zu begrüßen. Verschwiegen wird aber, daß aufgrund der Schließungen bezirklicher Aids-Beratungsstellen schon jetzt ein erheblicher Teil der aktuell Substituierten unfreiwillig keine Betreuung mehr hat. Ebenso wird nur am Rande vermerkt, daß dieser Trend zur Einsparung Teil des neuen Finanzierungskonzeptes ist. Wegfallen sollen nämlich im Gegenzug die sechs Personalstellen in Drogenberatungen, die bislang speziell für die psychosoziale Begleitung der Substitution eingerichtet sind. Zu befürchten ist demnach, daß der gewünschte Effekt der Ausweitung der Substitution durch parallel laufende Reduzierungen zunichte gemacht wird. Hinzu kommt, daß bewährte Selbsthilfeeinrichtungen wie Fixpunkt e.V. nach den neuen Richtlinien davon ausgeschlossen sind, psychosoziale Betreuung in eigener Regie durchzuführen.

Es ist gut, wenn Senatoren die Hilfe im Einzelfall würdigen: Schon im März 1993 veröffentlichte akzept e.V. die Ergebnisse einer Befragung Substituierter zur Einbindung in Erwerbstätigkeiten. Danach sind mindestens 70 bis 80 Prozent ohne soziale Anbindung, hinzu kommen rund 50 Prozent ohne eigene Wohnung. An dieser Situation werden auch noch so gut gemeinte Gespräche mit Drogenberatern dann nichts ändern, wenn nicht auch hier spezielle Fördermöglichkeiten für diesen Personenkreis aufgelegt werden. Auch dazu hätten wir gern etwas gehört. Rolf Bergmann

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