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Mediengespräch unbefriedigend

■ Diskussion im CdK zu DDR-Medien / Ohne Ideen und Phantasie / Den Experten fehlen die Konzepte

Sich um Meinung von Regierung und Medienkontrollrat nicht scherend, machen sich BILD, West-BZ und Tagesspiegel über die DDR-Leser her. Nach dem Boom der Anzeigenblätter scheint nun die Schwemme an TV-Zeitschriften zu folgen. Derweil empfiehlt die CDU-Zeitung 'Neue Zeit‘ rechtsstaatliche Mittel gegen unliebsame Journalisten.

Wahrlich Stoff genug, um gespannt eine mit dem Thema „Die Zukunft der DDR-Presse - Mediengesetz und Marktwirtschaft“ einladende Veranstaltung zu besuchen. Eine Diskussion mit „sachverständigen Fachleuten und interessierten Gästen“ war vom Berliner Club der Kulturschaffenden für Mittwoch angekündigt.

Was stattfand, war ein Spiel mit vertauschten Rollen: Einige der „interessierten Gäste“ entpuppten sich als namenlose Kenner von Fach und Szene; die als „sachverständige Fachleute“ angekündigten Namhaften hingegen als (vielleicht) interessierte Gäste mit allenfalls historischen Kenntnissen: Von ihnen war zu erfahren, daß die Regierungskommission 25 Mitglieder hat, daß die politischen Newcomer engagiert gearbeitet, die Wahlsiegerparteien nicht zu viel zu bieten gehabt haben, der Medienbeschluß der Volkskammer seine Kritiker gefunden und dergleichen mehr.

Die ob soviel Durchgeistigtem Ehrfurcht empfindenden Laien fragten, wie man die Vielfalt politischer Presse trotz des Überdrucks deutschsprachiger Zeitungen der Bruderrepublik erhalten könnte. Nun ja, es gäbe ohnehin zu viele Parteizeitungen hier, anders als in der BRD, daraus sollte man mal Konsequenzen ziehen. Und überhaupt: Man sollte halt einen besseren Journalismus machen, marktwirtschaftlicher und lokaler.

Ihrerseits verwundert zeigten sich die Regierungskommissionäre, als sie von den Amateuren aufgeklärt wurden, daß da schon die ersten deutsch-deutschen Kapitalehen im Medienbereich blühen. Ihr Staunen wurde mit dem Rat quittiert, mal Zeitung zu lesen. Nun ja, es gebe da so etwas wie Wildwuchs, quasi sei ein rechtsfreier Medienraum entstanden, da könne man nix machen.

Wie der Medienkontrollrat nach der Regierungsbildung wirken wird, konnten die amtlich bestätigten Fachleute nicht abschätzen. Ursprünglich wollte man verhindern, daß einer Diktatur die nächste folgt. Nur wurden keine Konditionen für die Zusammensetzung des Rates ausgehandelt. Deshalb ist es durchaus möglich, daß er nun zum Regierungsorgan verkommt. Damit müsse man leben.

Ein Teil der Gäste war schon gegangen, als sich ein Westdeutscher laut wunderte, wie man als vorgeblich linke Fachmänner den politisch so bedeutsamen Bereich der Medien arglos der Marktwirtschaft ausliefern kann. In der BRD hätte man gehofft, die DDR würde das einbringen, worum man drüben Jahrzehnte gestritten hatte: ein Presserechtsrahmengesetz. Nun sei er froh, daß es im Westen wenigstens ein Kartellrecht gibt, das bei Anschluß ein bißchen was retten kann.

Trotz der sich breitmachenden Betretenheit unter dem Publikum wurde es dann doch noch lustig. Die Kapazitäten ließen verlauten, daß sie ihre Plätze in der Regierungskommission gesichert sehen. Selbst wenn sie der neuen Regierung politisch mißfallen sollten, verzichten könne niemand auf ihre Fachkompetenz.

Die Diskussion konnte an ihrer Selbstsicherheit nicht rütteln. Deren Ideenlosigkeit zur Zukunft dieses Teils der DDR-deutschen Realität beweist um ein weiteres: Wer den Anschluß im Kopf schon vollzogen hat, ist nicht nur zum geistigen Widerstand unfähig, der ist auch arm an Phantasie, dem fehlt der Mut zum Träumen.

Corinna Hanke

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