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Maulsperre

„Nebensieger in den Randzonen“ oder warum ARD und ZDF auch weiterhin die Besten sind  ■ Von Klaudia Brunst

Sein Intendant hatte es uns ja schon vor einigen Tagen vorgerechnet: Das ZDF, so Stolte am letzten Freitag vor der versammelten erstaunten Presse, sei immer noch „Marktführer in der Prime time“, die für das ZDF nicht etwa die Hauptsendezeit von 20 bis 22 Uhr, sondern den gesamten Zeitraum von 17 bis 23 Uhr umfaßt.

Auch Oswald Ring, Programmdirektor des Zweiten in der ersten Reihe, hatte vorgestern bei der mit der ARD gemeinsam veranstalteten IFA-Presserunde nichts Besseres zu tun, als der Öffentlichkeit und seinem ARD-Kollegen Günter Struve ein X für ein U vorzumachen. Munter rechnete Ring dem „ZDF-Programmkernstück Information“ auch solche „informierenden“ Sendungen wie „Aktenzeichen XY“ oder „Ehen vor Gericht“ zu – und bilanzierte so einen sensationellen „Infoanteil“ von 45 Prozent. Die ARD, immerhin im Besitz der erfolgreichsten Nachrichtensendung „Tagesschau“, komme nach dieser Gleichung nur auf 28 Prozent. Als Zweiter weit abgeschlagen also hinter dem Zweiten, das – Adam Riese staunte, Struve wunderte sich – somit die „Informationsführerschaft“ für sich reklamiert.

Mit den Privaten gab sich Ring gar nicht erst ab. Denn für den Marktführer der Stolteschen Prime time sind die sowieso nur „Nebensieger in den Randzonen“ – in der Nacht oder am Nachmittag, bei den 14- bis 49jährigen oder anderen, das Zweite nicht interessierenden Zielgruppen.

Man hätte glauben können, die letzten zehn Jahre „Duales System“ wären ganz spurlos an den Mainzern vorbeigegangen, hätte Ring nicht doch eine nun notwendig gewordene „Flurbereinigung“ einräumen müssen: „Wir können im Dschungel der neuen Programmvielfalt nicht mehr mit der Stange quer im Maul herumlaufen.“ Eine Erkenntnis, die die Mainzer seit mehreren Jahren schon hätten in Reformen umsetzen können (und müssen!), wäre der Sender nicht personell und programmlich in eine kaum revidierbare Altersstarre verfallen. So wird das ZDF eine Nachfolgeshow für die soeben eingestellte „Goldmillion“ ausgerechnet an Dieter Thomas Heck vergeben, ein Publikumsliebling vor allem der Senioren, die endlich wieder dazu bewegt werden sollen, die „Aktion Sorgenkind“ mit ausreichenden Losspenden zu versorgen.

Trotzdem hat das ZDF nun doch sein Gehirn wieder einschalten müssen: Das alte Wochenendkonzept „Spielfilme“ und „Spielshows“ läßt sich öffentlich-rechtlich nicht mehr bezahlen. Die nicht eben billigen Gameshows wie „Wetten daß“ brennen noch am Sendeabend ab wie eine „Konfettikanone“. Sie lassen sich weder dem eigenen Wiederholungsprogramm zuführen noch ins befreundete Ausland verkaufen. Deshalb will das ZDF sich nun vermehrt auf die Produktion von gut verkäuflichen Krimiserien verlegen: „Bella Block“ und „Rosa Rot“, „Die Brüder“ und eine neue Reihe namens „Von Fall zu Fall“ sollen künftig den Samstagabend im ZDF retten.

Auf große US-Spielfilmware wird man in den ersten beiden Reihen künftig wohl gänzlich verzichten müssen. Die Konkurrenz der vielen privaten Kaufinteressenten hat die Preise explodieren lassen. Erst jüngst stieg die ARD entnervt aus dem sogeannten Warner-Deal aus: 180 Millionen Mark hatte Struve geboten für ein Filmpaket, das ihm damit schon weit überteuert erschien.

Der amerikanische Filmmulti winkte ab. Unter 200 Millionen sei gar nichts zu machen. RTL hat jetzt 250 Millionen geboten. Ob Helmut Thoma damit seine Mitbewerber ausgestochen hat, ist noch nicht ausgemacht.

Als Oswald Ring seine Rede endlich beendet hatte, legte Kollege Günter Struve sein Manuskript demonstrativ zur Seite. „Mit so viel Erfolg werde ich nicht fertig“, meinte er mit gut gespielter Theatralik und erklärte dann nur lapidar: Die ARD mache alles genau so, wie soeben vom Kollegen Ring gehört. Mehr Serien, mehr TV-Filme, mehr Qualität. Weniger Spielfilme, Kaufware und Konfettikanonen. Was allerdings die von seinem Bruder im Geiste reklamierte „Infomarktführerschaft“ angehe, so sei er denn doch gelinde gesagt erstaunt über so viel Konkurrenzgehabe. „Lassen Sie es doch damit bewenden, daß wir beide die Ersten sind.“

Wie oft haben wir das eigentlich schon gehört? Und wie lange werden wir uns das noch anhören müssen? „Mittelfristig werden wir weiter Zuschauer an die Privaten verlieren“, gab Struve dann doch auf Anfrage zu. Konzepte für dieses Danach liegen offenbar nicht vor. Würden sie doch zwangsläufig enthüllen, daß sich ARD und ZDF endgültig von jeder Idee der Marktführerschaft verabschiedet haben und zu den „Nebensiegern in den Randzonen“ geworden sind. Das aber verstößt gegen den Gedanken der Grundversorgung mit Vollprogrammen und könnte somit den Stoibers und Biedenkopfs fatal in die Hände spielen.

Darin liegt wohl das größte Strukturproblem der Öffentlich- Rechtlichen. Schon im Namen an die Plätze eins und zwei gebunden, sind sie zur Untätigkeit verdammt. Und so bleibt ihnen und uns nichts anderes übrig, als den Ist-Zustand weiter fortzuschreiben – bis sich die von Jahr zu Jahr haarsträubenderen Erfolgsmeldungen dann irgendwann gar nicht mehr rechnen.

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