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Mauer-Gedenktag

Heute ist „Mauer-Gedenktag“. Ich habe 1943-1945 in Berlin viele Mauern einstürzen sehen. Nach 1945 haben wir viele Mauern beseitigt bis DIE MAUER 1961 gebaut wurde, deren Einsturz ich auch noch erleben konnte. Dazwischen liegen 45 Jahre deutsche Geschichte, die uns Deutsche - Motz „Wir sind ein Volk“ - unterschiedlich geprägt haben, auch wenn zur Zeit die (noch) DM-Euphorie alles überlagert und eine Anschlußpolitik tatsächliche gleichberechtigte (Wieder)Vereinigung ausschließt.

Dabei werden die Gegensätze zwischen Ossis und Wessis ebenso wie zwischen Preußen und Bayern oder Berlinern und Sachsen überlagert, die man spätestens zur Landtagswahl politisch erkennen wird. Das alles liegt natürlich weitgehend an der derzeitig freigewählten demokratischen Nicht-Regierung, die ein böswilliger, aber trotzdem nicht Unrecht habender, Bayer eine politische Laienspielschar nannte. Dabei liegt das meiner Meinung nach nicht (nur) am Nicht-Können, sondern weitestgehend am Nicht-Wollen. In Kenntnis ihres - sich immer mehr verkürzenden Zeithorizontes haben sich weite Teile der Regierenden der DDR darauf beschränkt, ihren ganz persönlichen Marktanteil bis zur Vereinigung zu realisieren.

Bürgermeister oder das Liegenschaftsamt der DDR-Regierung in Niederschönhausen können darüber berichten, welche materiellen Werte Minister und Chargen sich innerhalb von vier Monaten geschaffen haben. Mit selbst verordneten Gehältern und Diäten wurden die Grundlagen geschaffen, ebenso wie mit kulanten Preisen per Gesetz. Hinzu kommt, daß die Regierenden interessanterweise auch vor der Wende zumeist nicht zu den Minderbemittelten zählten. Das alles zur gleichen Zeit, wo Forderungen der arbeitenden Menschen in diesem Lande nach Ausgleich für gesunkenes Real- oder Nettoeinkommen als unreal bezeichnet werden.

So hat eine Bereicherungsriege in kurzer Zeit sich einen Wohlstand erwirtschaftet - „erarbeitet, wäre gelogen -, für den ihre geschmähten Vorgänger 40 Jahre brauchten. Der geprellte Bürger der 89er Revolution hatte wohl unter sozialer Marktwirtschaft zumindest nicht dies verstanden.

Gerhard Rosenberg, Berlin-Ost

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