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Massen gegen den Golfkrieg

■ Tausende demonstrierten gestern für sofortigen Frieden am Golf / Weitere Aktionen

Viele tausend BremerInnen gingen seit der ersten Nachricht vom amerikanischen Angriff auf den Irak zum spontanen Protest auf die Straße. Rund 5.000 waren es bereits gestern vormittag in der Bremer Innenstadt, weitere 5.000 in Bremen Nord. Am Abend drängten sich noch einmal Tausende zur Kundgebung der Friedensbewegung auf dem Marktplatz. In vielen Schulen fiel der Unterricht aus und LehrerInnen und SchülerInnen schlossen sich den Protestmärschen an. Die StudentInnen bestreikten die Universität und kamen ebenfalls in die Stadt.

Bereits morgens um halb elf zogen die ersten Demonstrationen auf den Marktplatz. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda und Telefonketten war zudem für 12 Uhr zu einem Protestmarsch ab Hauptbahnhof aufgerufen worden. Die KriegsgegnerInnen zogen von dort aus zum Bundeswehrhochhaus und dann ebenfalls weiter auf den Marktplatz.

Es war keine lautstarke Demonstration. Niemand rief Parolen. Lachende Gesichter waren selten zu sehen. Einige hatten sich die Gesichter weiß geschminkt, manche lagen sich zwischendurch in den Armen und weinten. Weder am Bahnhof noch vor dem Bundeswehrgebäude gab es Redebeiträge über Lautsprecher, auf den Transparenten stand: „Ihr habt nichts gelernt“, „Heute nacht wurde aus deutschen Waffen getötet“ und „MBB-Chefs an die Front“. Eine Gruppe KurdInnen trug Transparente, auf denen sie „Frieden und Freiheit für Kurdistan“ und „BRD, Hände weg von Kurdistan forderten“.

“Aufhören!“ am Parlament

Mit Erlaubnis des Bürgerschafts- Präsidenten Dieter Klink hängten SchülerInnen ein Transparent aus den Fenstern des Landesparlaments. Nur ein Wort stand in riesigen Lettern darauf: „Aufhören“. Am Nachmittag kam es über Klinks Beteiligung am Protest gegen den Golf-Krieg zum Eklat. CDU und FDP drohten mit dem Auszug aus der interfraktionellen Vorbereitung der nächsten Bürgerschaftssitzung in der kommenden Woche. Klink blieb zwar zunächst hart, ließ dann aber doch das Transparent abhängen, nachdem FDP und CDU androhten, ansonsten die Bürgerschaftssitzung platzen zu lassen. Das Bremer Parlament wird nun am kommenden Mittwoch über den Golfkrieg debattieren.

Den ganzen Tag über stellten DemonstrantInnen Kerzen vor Bürgerschaft und Roland auf. Zweimal, am Vormittag und am Abend, gab es in den Massenversammlungen Schweigeminuten um, so ein Sprecher, „den Opfern am Golf zu gedenken, die der Krieg schon heute Nacht gefordert hat“.

Am Vormittag zog die Demonstration vom Markt aus nochmals zum Bundeswehrhochhaus und danach zum Bahnhof zurück, wo für einige Zeit die Gleise fünf und sechs blockiert wurden.

Gegen Mittag gingen auch Beschäftigte des Hauptgesundheitsamtes und des St.-Jürgens-Krankenhauses auf die Straße und blockierten kurzfristig eine Kreuzung in der Nähe des Krankenhauses. Ihre Forderungen waren „Kein Blut für Öl“ und „Keine Kriegslazarette in Bremer Krankenhäusern“.

Zur Kundgebung am Abend waren Demonstrationen vom Bahnhof und aus dem Ostertor gekommen. Um 18 Uhr läuteten die Domglocken eine anschließende Schweigeminute ein. Während im Protestzug radikale Forderungen wie „Enteignet Daimler“ oder „Schwerter zu Pflugscharen“ auf Transparenten zu sehen waren, zeigten sich die RednerInnen der Kundgebung moderat. DGB-Chef Siegfried Schmidt verurteilte zwar „alle Firmen, die mit dem Krieg Geld verdienen“, mochte auf die im Sprechchor gerufene Aufforderung „Streik, Streik“ jedoch nicht eingehen. Lediglich eine Arbeitspause für „15 Denkminuten“ schlägt der DGB weiterhin für den heutigen Freitag vor.

Auch Bürgermeister Klaus Wedemeier verkündete vom Podium „Wut und Scham“ über den Golfkrieg, an dem „wir Deutschen nicht unschuldig sind“. Konkrete Auskunft über Bremens künftige Position zu Waffenumschlag, Rüstungsproduktion und -exporten mochte der Bürgermeister jedoch nicht geben. „Politiker sind an ihren Taten zu messen, nicht nur an ihren Worten“, rief der Grüne Ralf Fücks unter Applaus seinem Vorredner Wedemeier zu.

Applaus gab es auch, als mitgeteilt wurde, daß die für Samstag geplante „Eiswette“ mit der Teilnahme des US-Botschafters Walters und Außenminister Genschers abgesagt worden ist. Die geplante Gegendemonstration (13:30 Uhr ab Ziegenmarkt) soll jedoch trotzdem stattfinden. Auch sie zielt auf ein „Ende des Krieges — und zwar nicht durch einen schnellen Sieg, sondern duch den sofortigen Stopp“, wie Ralf Fücks gestern abend sagte.

Am Morgen hatte der AStA der Bremer Uni zu einer Vollversammlung aufgerufen und erklärt: „Die Nachricht vom Kriegsausbruch am Golf, der massiven Bombadierung Bagdads, hat bei uns lähmendes Entsetzen, Trauer und Wut hervorgerufen. Wir wollen dennoch nicht sprachlos bleiben und gemeinsam mit Euch für eine sofortige Beendigung des Krieges, für einen Frieden am Golf eintreten.“ Ase/och

Ab heute findet in Bremen täglich um 12 Uhr eine fünfminütige öffentliche „Denkpause“ statt, während der aller Verkehr und die Arbeit ruhen sollen.

Rudolf Prahm von der Initiative „Statt Krieg“ sammelt Adressen von BremerInnen, die bereit sind, Soldaten aufzunehmen, die sich nicht in den Golfkrieg schicken lassen wollen. Angebote schriftlich an Rudolf Prahm, Bürgermeister- Schöne-Straße 44.

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