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■ QuerspalteMars macht mobil

Im Juli lief in den USA der Spielfilm „Independence Day“ an, und in der taz hieß es dazu: „Als in den USA das letzte Mal die Invasion aus dem Weltall angekündigt wurde – 1953 mittels eines höchst authentisch klingenden Hörspiels eines gewissen Orson Welles –, da packten die Leute in Panik ihre Koffer und versuchten zu fliehen.“ Tatsächlich wurde das legendäre Hörspiel schon anderthalb Jahrzehnte zuvor ausgestrahlt.

Neuerdings gibt es Anhaltspunkte dafür, daß vor circa 3,6 Milliarden Jahren bakterienähnliche Organismen auf dem Mars existierten; eine Gelegenheit für die junge Welt, auch einmal „jene ,kleinen grünen Männchen‘“ zu erwähnen, „mit denen Orson Welles und H.G. Wells 1938 amerikanische Radiohörer in Panik trieben, als ihr Hörspiel ,Krieg der Welten‘ höchst glaubhaft eine Invasion vom Mars beschrieb“. Wieder falsch. Das Hörspiel „The War of The Worlds“ von Orson Welles war nur eine sehr freie Bearbeitung des gleichnamigen Romans von H.G. Wells, der zudem überhaupt nicht gefragt worden war.

Warum tut sich alle Welt so schwer mit ein paar dürren Fakten? Nach späteren Schätzungen hörten in den USA 1938 zwischen vier und neun Millionen Menschen zu, als das Hörspiel gesendet wurde. John Houseman, der an der Produktion beteiligt war, berichtet in seinen Memoiren, in New York hätten Hunderte in Panik ihre Häuser verlassen.

Ein letzter Versuch: „Millionen von Radiohörern verstanden die – als Hörspiel angekündigte – Sendung als Tatsachenbericht und verließen fluchtartig New York.“ Bilanzierte ausgerechnet Ulrich Wickert 1981 in seinem unsterblichen Werk „Freiheit, die ich fürchte“.

Millionen. Verließen New York. Fluchtartig. So waren in der hastig hingehauenen Version des Mr. Tagesthemen aus Hunderten Millionen geworden; vielleicht weil höhere Zahlen höhere Auflage bringen, vieleicht aber auch nur, weil auf Sorgfalt gepiffen ist, wenn der eigene Zinken erst einmal oft genug vor der Kamera gehangen hat. Gerhard Henschel

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