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Marlon Brando und der Paragraph 1210 des kanonischen Rechts Von Ralf Sotscheck

Wenn man die internationale Filmwelt anlocken will, muß man schon etwas Besonderes bieten. Irland kann nicht nur mit Steuerfreiheit aufwarten, sondern die Staatsbeamten lesen darüber hinaus den FilmemacherInnen jeden Wunsch von den Augen ab. Seit gestern dreht Neil Jordan in Dublin einen Streifen über Michael Collins, den irischen Freiheitskämpfer, der nach der Teilunabhängigkeit 1922 zum Generalstabschef ernannt und von Gegnern der Teilung des Landes erschossen wurde. Die Hauptrollen spielen Liam Neeson, Julia Roberts und Alan Rickman.

Die Regierungspartei Fine Gael hat ihr verstaubtes Parteibüro zur Verfügung gestellt, weil es dort noch genauso aussieht wie in den zwanziger Jahren. Für den Film wird es allerdings zum IRA- Hauptquartier umfunktioniert, was dem Premierminister John Bruton vermutlich heftige Magenkrämpfe verursacht hat. Den KollegInnen vom Außenministerium geht es noch schlechter: Ihre Arbeitsräume wurden für den Film „Moll Flanders“ in ein Bordell umgewandelt. Böse Zungen behaupten, daß in puncto Käuflichkeit der BewohnerInnen dadurch alles beim alten geblieben sei.

Der US-Regisseur Tom Eberhardt hatte mit seinem Film „Göttliches Entzücken“ bisher weniger Glück. Die Dreharbeiten in Ballycotton, einem verschlafenen Nest im Osten der Grafschaft Cork, sollen am nächsten Montag beginnen, doch ausgerechnet am Hauptdrehort hat das Filmteam Hausverbot: Die katholische Gemeindekirche machte ihre Pforte dicht, weil die unsachgemäße Benutzung des Gotteshauses gegen Paragraph 1210 des kanonischen Rechts verstoßen würde. In dem Film geht es um einen katholischen Pfarrer, gespielt von Marlon Brando, dessen Gemeinde stetig schrumpft, bis sich plötzlich aufgrund einer Wunderheilung das Blatt wendet. „Göttliches Entzücken“ mit Johnny Depp, Debra Winger und John Hurt sei eine harmlose Komödie, meint Eberhardt, der nun eine Kirche suchen muß, die bereits entweiht ist.

Was ihn besonders erbost hat, ist die Tatsache, daß Bischof John Magee sechs Wochen zum Lesen des Manuskripts gebraucht hat, bevor er die Drehgenehmigung verweigerte. „Der Bischof belehrte mich über das Genre der Komödie und erklärte mir, was komisch sei und was nicht“, meinte Eberhardt. Das Manuskript hat den Bischof jedenfalls nicht im geringsten amüsiert. „Es wäre nicht angemessen, geheiligte Plätze als Drehorte zur Verfügung zu stellen“, sagte er, „weil der Katholizismus im Film auf das Niveau des Lächerlichen gebracht wird.“ Als ob man dafür einen Film bräuchte. Dafür sorgen die Pfaffen in Irland schon selbst.

Gerade hat die Haushälterin des vor zwei Jahren verstorbenen Pfarrers Michael Cleary – eines zu Lebzeiten besonders reaktionären Moralpredigers – bekanntgegeben, daß ihr Ex-Arbeitgeber gleichzeitig Vater ihrer beiden erwachsenen Kinder sei. Jetzt vollführen die Kirchenoberen einen Eiertanz, der Eberhardts Komödie in den Schatten stellt: Das sei schließlich seine Privatsache gewesen, heucheln die Kirchenoberen überall ungefragt Verständnis, als ob sie sich noch nie dafür interessiert hätten, was in fremden Schlafzimmern vor sich geht. Na, so trösten sie sich, wenigstens war Cleary nicht schwul oder hat die Haushälterin zur Abtreibung überredet.

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