■ Standbild: Marienverehrung
Der Muttertag im Fernsehen
„Warum fandest du Peter schon als Säugling besser als mich? Ich war für dich nur häßlich...“, die Vorwurfsvolle bricht in Tränen aus. Sie heult, schreit und verpaßt dem Fußboden stellvertretend für die lieblose Mutter einen harten rechten Haken. Eine Pralinenmischung zum Muttertag ist das nicht gerade.
„Vater, Mutter, segne mich“, eine Dokumentation von Roland Schraut (17.30 Uhr, ARD) ähnelt eher einem Exorzistentreffen, dessen Teilnehmer sich das letzte bißchen obligatorischer Mutterliebe austreiben, um von verkorksten Kindertagen zu genesen. In sogenannten Wassergruppen kraulen sie durch imaginiertes Fruchtwasser, um sich dann selbst in eine bessere Welt zu gebären.
Besonders undankbar erwiesen sich die Privaten, die den Gedenktag einfach komplett ignorierten. Artig dagegen das ZDF, das bereits am frühen Morgen mit Blümchen in der Tür stand. Im „Katholischen Gottesdienst“ (9.30 Uhr) lispelten Kinder herzzerreißende Fürbitten ins Mikro: „Meine Mutter ist für mich wie eine Hand, die, auch wenn ich mal böse bin, lieb zu mir ist.“ Höhepunkt der Zeremonie: eine als Maria verkleidete Gemeindemitarbeiterin, die von den Mühen jungfräulicher Zeugung erzählt und von der Angst, ihrem Joseph die Sache mit dem heiligen Geist beizubringen.
Auch Elmar Gunsch hatte kein leichtes Los, mußte er doch wenigstens in den Zwischenmoderationen zu „Melodien zum Muttertag“ (10.25 Uhr, ARD) irgendwie die Mütter der Nation adressieren, um den Sendetitel plausibel zu machen. Hartnäckig befragte er die Interpreten diverser Maiglöckchenlieder, ob sie ihre Muttis nicht vermißten, wenn sie auf Tournee sind, ob diese denn auch auf die Stimme ihrer begabten Brut aufgepaßt hätten und ob sie selber mal Mutter werden wollen.
Im Anschluß ein Spendenkonto-Trailer. Eine Frau hastet schwitzend, panisch und viel zu dünn bekleidet durch einen Tunnel, in dem unheimliche Stimmen Unverschämtes wispern. Um Himmelswillen, Gefrierbrand! mutmaßt man sofort. Doch es sind verlegte Autoschlüssel und Pausenbrote, die an Mutters Nerven zerren. Mit Einblendung des Müttergenesungswerkkontos wird aus dem Alptraum sonnendurchflutetes Urlaubsglück. Psychopornographie, Marienverehrung und Reperaturdienstwerbung – schöner Fernsehmuttertag. Birgit Glombitza
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