Mangelnde Diversity bei CDU und CSU: Der Club der weißen Männer
Auch nach 16 Jahren Merkel im Kanzleramt steckt die Union in alten Strukturen fest. Es mangelt an Frauen, an migrantischen und jungen Menschen.
A rmin Laschet würde immer noch gerne Kanzler werden. Unbeirrbar auf dem Weg ins höchste politische Amt, setzt er sich auch hier noch der Schmach aus, statt würdevoll seinen Abschied zu nehmen. „Das war meine Chance, ich danke euch!“ In der CDU selbst will man Laschet längst nicht mehr, er hat sich entkanzlert, trotzdem hält man die Füße still, falls beim Sondieren das Unwahrscheinliche eintritt und man wider Erwarten doch an der Macht bleiben darf.
Man hört Experten von allen Seiten, die erklären, was da falsch läuft bei der CDU, warum der Kandidat nicht der richtige Kandidat war, wie das Problem tief in die Programmatik und Visionslosigkeit der Partei reicht. Alles richtig, aber, was das Problem ist – viel banaler – es zeigt sich in der Körpersprache der CDU-Spitze, es zeigt sich in der Sprechweise, es zeigt sich im Personal: Die CDU hat im Jahr 2021 jenseits des Rückwärtsgangs nichts im Angebot. Im Rückwärtsgang mit Männern ist keine Zukunft zu machen.
Ein Personal, bei dem die mächtigsten Strippenzieher – von der scheidenden Kanzlerin abgesehen – allesamt männlich sind. Keiner von ihnen stört sich an Fernsehbildern, auf denen nur Männer zusammenstehen. Die CDU hat keine Strategie, auch nur einer weiblichen oder migrantischen Stimme mehr Sichtbarkeit und Gehör zu verschaffen. Gleichzeitig beansprucht man bräsig: Wir sind eine Volkspartei. Nur, wer ist das Volk?
Wenn ein CDU-Abgeordneter, nachdem er seinen Wahlkreis an eine SPD-Frau verliert, erst mal auf Twitter ranten muss gegen die Förderung und Sichtbarkeit von Frauen, dann kann er kein Vertreter einer Volkspartei sein. Sein Volk besteht wohl nur aus Männern. Wenn Jens Spahn kurz nach der Wahl erklärt, die Migrationspolitik habe im Wahlkampf keine Rolle gespielt, dann schließt er an die Debatten der Achtziger an, anstatt an die Gegenwart, in der das deutsche Volk schon viel diverser ist.
ist Schriftstellerin, Dramatikerin und Kolumnistin. Sie lebt in Heidelberg und ist Mitglied des PEN-Zentrums. Ihr letztes Buch, „Sheroes. Neue Held*innen braucht das Land“, erschien 2019.
Von der CDU kam in diesem Wahljahr kaum etwas, das die Großeltern nicht schon gehört hätten. Das kann man konservativ nennen oder aber gegenwartsfeindlich. Wenn öffentlich über die Zukunft der Partei diskutiert wird, reden etwa Markus Söder, Volker Bouffier oder Friedrich Merz. Wenn Jüngere einbezogen werden, darf Tilman Kuban ran, der bisweilen älter daherkommt, als all die alten Herren zusammen.
Die CDU möchte Volkspartei sein, gibt sich aber mit einem Frauenanteil von 23% zufrieden. Bei Fragen nach Quoten kriegen CDUler Schnappatmung, denn gemessen am Frauenanteil innerhalb der CDU seien Frauen ja angemessen repräsentiert. Genau die richtige Antwort, wenn also in der CDU bald gar keine Frauen mehr sein sollten, wären auch null Prozent Frauen im Parlament in Ordnung. Sechzehn Jahre hat die CDU die Kanzlerin gestellt.
Die Männer in der Partei scheinen darauf gewartet zu haben, bis sie wieder an der Reihe sind, statt sich den Feminismus auf die Fahnen zu schreiben und vom Erfolg einer Frau an ihrer Spitze zu profitieren. Frauen fehlen, Migranten fehlen. In der CDU ging man in diesem Wahlkampf davon aus, mit einem schwarzen Deutschen im Zukunftsteam sei das Thema Vielfalt abgehakt. Schließlich bemühte man sich redlich, noch eine weitere Gruppe des Volkes außen vor zu lassen: Die Jungen.
Wolfgang Schäuble stellt sich in Fernsehinterviews gerne als autoritärer Vater und meint, wenn es um Fridays for Future geht, tue Widerstand der Jugend gut. Als ginge es nicht auch um sein Klima, als wären die Anliegen der Jugend nicht auch sein Problem. Peter Altmaier saß in Talkshows meist hilflos einer hochmotivierten Luisa Neubauer gegenüber und belächelte sie dennoch gerne von oben herab.
Wir leben in einer Zeit, in der Medien durchlässiger geworden sind. Früher sprachen die Herren der CDU mit den Herren in den Chefredaktionen konservativer Zeitungen. Die Zeit dieser Deutungshoheit ist vorbei. Heute verschaffen sich progressive Kräfte ihre eigenen Öffentlichkeiten und gelangen aufgrund ihrer Relevanz auch in die klassischen Medien. Dort begegnet das Konservative dem Progressiven und das Konservative sieht dabei so alt aus, dass es kein Vertrauen für sich gewinnen kann.
Auch Wählerinnen wissen, dass man progressive Kräfte nicht zurück in die Büchse der Pandora verbannen kann, wer bei Genderfragen nur mit polemischen Gehabe und Androhungen von Genderverboten reagieren kann, wird vielleicht Applaus ernten von einigen, aber sicher nicht genug, um eine Volkspartei zu sein. In der CDU vermittelt derzeit niemand den Eindruck, dass er sich ernsthaft mit den gesellschaftlichen Strömungen auseinandersetzt.
Deutungshoheit passé
Auch Söder, den manche sogar gerne als Kanzler der Herzen bezeichnen, verkörpert eher Machtduktus, als jemand, der Vertrauen in die inhaltliche Arbeit seiner Partei schafft. Der Machterhalt scheint das größte Interesse in der CDU zu sein, denn es war ja so angenehm zu regieren. Macht um der Macht willen, aber ohne den Anspruch durchzudeklinieren. Es ist ein gesellschaftlicher Fortschritt, wenn das für konservative Wähler nicht ausreicht, weil sie ernst genommen werden wollen.
Die Wähler haben die CDU abgestraft, den Wandel treiben vor allem FDP und Grüne an. Die neue Stärke der Kleinen ist nur eins von vielen Ergebnissen, an denen sich ablesen lässt, dass die alten Mehrheiten nicht mehr zu haben sind, so wie auch die Welt von gestern nicht mehr. Die Gesellschaft und ihre Probleme haben sich ausdifferenziert, mit ihnen die Parteienlandschaft. Eine Partei, die vorwiegend Männer mit dem Duktus der Achtziger an die Spitze stellt, wird auf Dauer nur noch Klientelpartei sein können.
Das neue Parlament wird in der ersten konstituierenden Sitzung seine Präsidentin wählen. Den neuen Abgeordneten sollte klar sein, dass eine Männerrepublik nicht akzeptabel ist im Jahr 2021. Und auch keine Männer, die um jeden Preis nach der Macht gieren, selbst dann noch, wenn die Bevölkerung sie nicht mehr will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern