Managersuche in Gelsenkirchen: Der große Kahn bald Schalker?
Der Gelsenkirchener Chaos-Club sucht nach Andreas Müllers Entlassung nach einem Manager. Weil der Markt nicht viel hergibt, verhandeln sie mit Ex-Keeper Oli Kahn.
Das feine Florett war noch nie das bevorzugte Arbeitsgerät von Clemens Tönnies. Als gelernter Fleischtechniker hantiert der Aufsichtsratschef des FC Schalke 04 lieber mit wuchtigen Werkzeugen. Geradezu eine Ehrensache ist es da für den millionenschweren Fleischverkäufer aus Ostwestfalen, die Fahndung nach einem Nachfolger für den frisch entlassenen Manager Andreas Müller nicht dezent an einem versteckten, neutralen Ort durchzuführen - sondern bei sich vor der Haustür. Eine Entscheidung, die dem beschaulichen Rheda-Wiedenbrück gestern einen Medienauflauf verschaffte, als ginge es um die Rettung von Opel.
Dabei ging es - ein paar Nummern kleiner - nur mal wieder um die Zukunft des FC Schalke. Und keinem Geringeren als Oliver Kahn, der am Donnerstag von 10 Uhr an über drei Stunden mit seinem Berater Peter Ruppert und Tönnies in "Königs Hotel am Schlosspark" in Rheda-Wiedenbrück zusammensaß, will der wankende Revier-Riese womöglich sein sportliches Schicksal anvertrauen. Nicht ohne sich vor diesem gewagten Schritt doch noch ein wenig umzusehen. "Wir haben uns darauf verständigt, dass wir in zwei bis drei Wochen noch einmal miteinander telefonieren. Wir wollen noch mit anderen Kandidaten sprechen", fasste Clemens Tönnies das Gespräch zusammen, warb aber vorab auch feste für den durchaus wahrscheinlichen Coup. "Kahn", so Tönnies, "ist ein geiler Typ. Wir sind total daccord." Man habe ein "Konzept besprochen, und das passt allen gut."
Konzept passt, Typ passt - aber wie sieht es mit dem fehlenden Handwerkszeug des bisherigen Handwerkers als Manager aus? Halb so wild, ermunterte Wolfgang Holzhäuser die Gelsenkirchener Kollegen gestern von der Schweiz aus pflichtgemäß. "Entscheidend ist nicht die Einzelperson, sondern ob sie in die gedachte Organisationsform und zum formulierten Anforderungsprofil passt - und welche Rolle für den neuen Mann vorgesehen ist", formulierte der Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen schön sachlich. Deutlich offensiv er legte sich Holzhäuser aber für seinen Schalker Amtskollegen Peter Peters und S04-Präsident Josef Schnusenberg ins Zeug: "Ich kenne die beiden gut. Und ich glaube nicht, dass sie bei dieser Geschichte so einen Fehler machen."
Jedenfalls nehmen sie sich Zeit, bevor sie eventuelle Fehler begehen: Oliver Kahn sprach schon vor dem gestrigen Treffen gegenüber "Spiegel Online" von "mehreren Gesprächen", die er bereits mit Schalker Verantwortlichen geführt habe. Zudem teilte der 39-Jährige mit: "Ja, das passt schon alles." Das erstaunliche, aber ausgesprochen Schalke-typische Tête-à-tête mit dem Vizeweltmeister von 2002 befindet sich also bereits im fortgeschrittenen Stadium. "Das waren keine Gespräche über die schöne Gegend um Gelsenkirchen", signalisierte Kahn, dem durchaus klar ist, dass es sich beim Tabellen-Achten um einen akuten Notfallpatienten handelt: "Für Schalke geht es um viel. Man hat sich von Andreas Müller getrennt und muss in Kürze die neue Saison auf den Weg bringen. Da gibt es, wie bei allen Klubs, viel zu tun." Und ganz besonders viel auf dem Berger Feld. Dort, wo Cheftrainer Fred Rutten aus Frust über die Entlassung seines Kumpels Müller den ganzen Krempel vor einer Woche schon hinschmeißen wollte, sein Dasein auf Schalke ansonsten zuletzt zwischen den Alternativen Team-Manager und Entlassung gewaltig hin und her pendelte. Wo der verärgerte Brasilianer Marcelo Bordon (33) sein Kapitänsamt gerade niedergelegt hat und sein - mutmaßlich provisorischer - Nachfolger Mladen Krstajic (35) die Vorgänge um Bordons Aktion vor dem wichtigen Heimspiel gegen den Hamburger SV am Sonntag kryptisch umhüllte. "Das bleibt in der Kabine", sagte der Serbe nur. Denn: "Würde ich das sagen, gäbe es noch mehr Theater."
Aber mögen die königsblauen Fußballer auf internationaler und nationaler Bühne in den letzten Monaten auf beängstigende Weise nach unten durchgereicht worden sein: Groß fühlen sich die Strippenzieher von S04 nach wie vor. Deshalb also Kahn. Ein Mann mit 86 Länderspielen und 557 Bundesliga-Partien auf dem Buckel - und null Erfahrung als Manager eines Fußballklubs. Beim FC Bayern, wo er lange als Nachfolger von Uli Hoeneß galt, haben sich die Verantwortlichen zunehmend von diesem Plan verabschiedet, Präsident Franz Beckenbauer meinte beim ersten Rumoren um ein Kahn-Engagement auf Schalke nur: "Ich würde ihm davon abraten, er ist noch in der Findungsphase. Ich glaube nicht, dass er jetzt schon bereut wäre."
Dass allerdings auch völlige Newcomer in diesem Geschäft erfolgreich sein können, beweist Horst Heldt, im Januar 2006 mit gerade 36 Jahren als Sportdirektor beim VfB Stuttgart eingestiegen. Jedoch gehört Heldt wie auch Jan Schindelmeiser (Hoffenheim) oder Dietmar Beiersdorfer (Hamburg) zur aufkommenden Klasse recht junger, vor allem aber dezenter Fußballmanager mit der Aufgeregtheit eines Bergsees. Aus seinem Profileben bringt der mitunter tobsüchtige Ex-Keeper Kahn solche für Manager überaus hilfreiche Eigenschaften nicht mit. Wolfgang Holzhäuser möchte darin jedoch keinen Nachteil sehen. "Schindelmeiser", sagt der Bayer-Mann, "ist gelernter Betriebswirt und Politologe, Beiersdorfer Wirtschaftsprüfer - und Horst Heldt war Fußballer." Fazit: "Das kann man nicht miteinander vergleichen."
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