: Man erlebt Patziges
■ Wg. wilder Hunde: Weidedamm III zum Teil von der Postzustellung ausgeschlossen
Am Dienstag bekam Micha Lebrecht (Name geändert) zwar keine Post, aber einen kopierten Zettel von der Post: Dem „sehr geehrten Postempfänger“ wurde erklärt, warum keine Post mehr kommt. „Unsere Mitarbeiterin wurde letzte Woche zweimal von einem frei umherlaufenden Hund angegriffen. Um sich nicht weiter zu gefährden, hat sie die Postzustellung abbrechen müssen.“
Ein normaler Vorgang im Postalltag. Nicht normal dagegen ist, daß diesen Zettel gleich ein ganzes Wohnquartier bekam, nämlich die Bewohner von sieben Wegen im Parzellengebiet Weidedamm III. Vom Köhlersweg bis zum Ahnewehrweg gibt's derzeit meist keine Zeitung, keinen Brief und, insbesondere, keine Postanweisung vom Sozialamt oder Arbeitsamt.
Herr Busse ist Sachbearbeiter im Postamt 1 und kennt den Paragraphen: §10, Absatz 1, Nummer 1 der PostdienstVO in Verbindung mit Abschnitt 6.1 Absatz 3 der Allg.Gesch.bed. erlaubt den Ausschluß von der Postzustellung, wenn die Wohnung nur unter unverhältnismäßig großen Schwierigkeiten erreicht werden kann, konkret: abgelegene Berghütte oder bissiger Hund.
Gebissen wurde am Weidedamm III noch niemand. Aber, sagt Busse, „angefallen, daß die Briefträgerin flüchten mußte.“ Sechs freilaufende Hunde auf einem Haufen wurden schon gezählt, die keinen größeren Spaß kennen, als radelnde Postler zu jagen. Das gehe im übrigen schon ein halbes Jahr so. Die Polizei sei mit dem Fall befaßt.
Busse weiß allerdings genau: Der Ausschluß eines ganzen Gebietes geht juristisch nicht. Sein Problem: In dieser verträumt-anarchischen Ecke Bremens sind nie und nie Verantwortliche, also die Hundehalter, zu fassen. Und wenn, dann erlebt man Patziges - Frau an Hund: „Willst du angeleint werden? - Nein, du willst nicht angeleint werden.“
Formal korrekt betritt die Briefträgerin (Busse: „Die ist bitterböse“) nun jeden Morgen die zugewachsene Idylle, dann kommt der Hund, dann bricht sie ab. Und Micha Lebrecht bestellt jetzt seine taz ab. Er wollte ja schon ein Postfach mieten. Aber Walle hat keine mehr, und Domsheide fordert mindestens zehn Briefe täglich.
„Ein ganz heißer Ofen,“ formuliert Postler Busse, dem das Thema merklich Bauchschmerzen bereitet. Mit gutwilligen Bewohnern wurde schon ein Massenbriefkasten an der Hemmstraße diskutiert, aber da gibt's Datenschutzprobleme. Und es lebten im Gebiet ja auch „normale Leute“. Aber einen hundefesten PKW einsetzen, das kommt nicht in die Tüte: „Wegen der wenigen Leute stellen wir doch nicht unsere Tour um!“ Immerhin will er auf das Postamt Walle Einfluß nehmem, daß die dort ein paar Postfächer rausrücken - unter anderem für die taz von Micha Lebrecht. BuS
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