: Major zum Rodeo nach Florenz
Wegen seiner Rinderwahnsinnspolitik muß sich der britische Premierminister beim EU-Gipfel auf einen heißen Ritt gefaßt machen ■ Aus Brüssel Alois Berger
John Major wollte sich noch nicht festlegen, ob der BSE- Streit mit der Europäischen Union nun beigelegt ist oder nicht. Allerdings, sagte der britische Premier am Mittwoch mit Blick auf die Europäer, sei die Debatte endlich „vernunftbetonter“ geworden. Er sehe deshalb gute Chancen, auf dem EU-Gipfel zu einer Einigung zu kommen.
Die Fotografen können sich schon mal aufstellen: Egal, was die anderen 14 Staats- und Regierungschefs sagen werden, John Major wird in Florenz sein Siegergrinsen in die Kameras halten und von einem wichtigen Erfolg sprechen. Im Grunde hätte er das auch schon vor dem Gipfel haben können, aber Major braucht den großen Rahmen, weil das zu Hause besser aussieht und weil dann nicht so auffällt, daß die britische Regierung eine Kampagne abbricht, die sie international an den Rand der Lächerlichkeit gebracht hat.
Seit 21. März haben britische Minister in Brüssel rund 80 EU- Entscheidungen verhindert, um eine Aufhebung des Exportverbots für britisches Rindfleisch zu erzwingen, das die EU wegen des Rinderwahnsinns über die Insel verhängt hat. Eine Reihe der Beschlüsse wäre im britischen Interesse gewesen. Diese eigenartige Politik will Major nun in Florenz aufgeben, vorausgesetzt, die anderen EU-Chefs stimmen dem Plan zu, den London mit der Kommission ausgehandelt hat.
Der Plan sieht die schrittweise Lockerung des Exportverbotes vor, ohne jedoch einen konkreten Zeitrahmen zu nennen. Als Vorbedingung muß die Regierung in London dafür sorgen, daß sämtliche alten Tiermehlvorräte vernichtet werden, daß alle britischen Rinder gekennzeichnet werden, daß die Schlachthöfe völlig gereinigt und die Maschinen desinfiziert werden. Nach Einschätzung von Fachleuten dürfte das rund zwei bis drei Monate in Anspruch nehmen. Danach könne dann über die Exporterlaubnis für Rinderembryos, junge Kälber und Tiere aus BSE-freien Herden geredet werden. Wann die Briten wieder Fleisch exportieren dürfen, steht noch in den Sternen.
Auf Druck der EU-Kommission wurde auch das Abschlachtprogramm für BSE-gefährdete Rinder von 80.000 auf rund 200.000 Rinder ausgeweitet. Auf dem letzten EU-Gipfel Ende März in Turin hatte ein britischer Minister noch die Zahl von 4 Millionen Tieren ins Gespräch gebracht.
Wie in Turin, werden die Staats- und Regierungschefs auch in Florenz ihre Solidarität mit Großbritannien bekunden. Allerdings hat sich in der Zwischenzeit einiges aufgestaut, was nach Luxemburger Art zur Sprache kommen dürfte. Dort wurde der britische Außenminister Malcolm Rifkind vor einigen Wochen von seinen EU-Kollegen hinter verschlossenen Türen wegen der Blockadepolitik übel gerupft, durfte aber anschließend vor der Presse unwidersprochen sein erfolgreiches Auftreten rühmen.
Vor allem die italienische Regierung hat wenig Verständnis dafür, daß Major mit seinem Rinderproblem jetzt auch noch auf dem EU-Gipfel herumtrampeln will. Notfalls, knurrte Außenminister Lamberto Dini vor zwei Tagen, werde der Gipfel seine Beschlüsse auch gegen die britische Regierung durchpeitschen.
Wie das gehen soll, hat Dini nicht gesagt, auch nicht, welche Beschlüsse er meint. Die geplante Aussprache über die Regierungskonferenz, die sich seit März erfolglos dahinschleppt, haben Kohl und Chirac vorsichtshalber bereits auf einen Sondergipfel im Herbst verschoben. Die Beschäftigungsinitiative von EU-Kommissionspräsident Jacques Santer wurde schon von den Finanzministern totgeredet. Und die Europolkonvention, die seit Jahren von Gipfel zu Gipfel gereicht wird, stand gar nicht auf der Tagesordnung, um sie vor den Rindern zu retten. Wenn Major in Florenz das Ende der Blockadepolitik erklärt, soll Europol doch noch eingeschoben werden. An der altbekannten britischen Weigerung, den Europäischen Gerichtshof als Kontrollinstanz für die Europapolizei anzuerkennen, hat sich nichts geändert. Aber es zeichnet sich ein Kompromiß ab, „der es EU-Ländern erlaubt, die Zuständigkeit des Europäischen Gerichts im nationalen Recht zu verankern. Damit ist zwar nichts geklärt, aber ein weiterer Streit mit London vom Tisch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen