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Magnetismus im Bundesrat

■ Ländervertretung billigt zwei Gesetze zum Transrapid. Schleswig-Holstein erwägt eine Normenkontrollklage

Berlin (taz) – Der Bundesrat gab gestern dem Transrapid den Segen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis warb vergeblich dafür, die beiden Gesetze im Vermittlungsausschuß neu zu diskutieren. „Der Bund stolpert von Milliardenloch zu Milliardenloch, und hier wird ein neues aufgerissen, dessen Dimensionen niemand vorhersagen kann“, warnte sie. Daß man beim Transrapid fast gar nichts prognostizieren könne, sei schließlich mehrfach bewiesen: Nachdem Verkehrsminister Matthias Wissmann vor kurzem noch von 10.000 Dauerarbeitsplätzen an der Trasse gesprochen hatte, sei jetzt nur noch von 4.000 die Rede. Der Flächenverbrauch pro Streckenmeter sei erst in diesen Tagen von 12 auf 20 qm nach oben korrigiert worden.

„Was läßt sich beim Transrapid überhaupt vorhersagen? Es ist ja noch nicht einmal sicher, ob die Stelzen halten und ob die Züge auch im Winter fahren können“, stellte Simonis fest. Deshalb sei ihr völlig unverständlich, daß der Bundestag nicht einmal den sonst üblichen Haushaltsvorbehalt in das Gesetz hineingeschrieben habe, der nur bei ausreichend vorhandenem Geld in der Bundeskasse die Durchführung des Gesetzes zuläßt. Das Parlament habe einen „Blankoscheck für ein Prestigeprojekt“ ausgestellt, der nur zu 57 Prozent vom Verkehrsministerium eingelöst werden müsse. „Das Landwirtschaftsministerium ist mit 220 Millionen Mark dabei. Der Transrapid ist die kurioseste agrarpolitische Maßnahme, die ich kenne“, so Simonis. Auch alle anderen Ministerien müßten in mehr oder weniger hohem Maße zur Finanzierung beitragen.

Doch nur Brandenburg und das Saarland folgten Schleswig-Holstein und lehnten das Gesetz ab. Mehrheitlich angenommen wurde dagegen eine rechtlich unverbindliche Entschließung, die Nordrhein-Westfalen eingebracht hatte. Darin wünscht der Bundesrat, daß der Transrapid nicht zu Kürzungen beim Schienenausbau führt und nur „im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel finanziert werden“ soll. Genau das hatte Heide Simonis gefordert – und dafür vergeblich eine rechtlich bindende Form gefordert. Das rot- grüne Hessen mochte sogar nicht einmal dem unverbindlichen Papier zustimmen; in Kassel bei Thyssen-Henschel sollen schließlich die Waggons gebaut werden.

„Die SPD hat mal wieder gezeigt, daß sie nicht in der Lage ist, ihre umwelt- und finanzpolitischen Vorhaben durchzusetzen“, kommentierte Peter Westenberger vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Schleswig-Holstein erwägt jetzt eine Normenkontrollklage vorm Bundesverfassungsgericht. Annette Jensen

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