: Magistrat legt die taz-Stasi-Listen aus
■ Die Ostberliner Stadtregierung will 115 Büchereien mit Sonderdrucken der taz beliefern / Magistratssprecher hält Veröffentlichung für „voll verantwortbar“
Berlin. Der Magistrat von Berlin will die von der taz herausgegebene Liste der Stasi-Objekte in allen 115 öffentlichen Bibliotheken auslegen lassen, um sie damit allen Bürgerinnen und Bürgern zugänglich zu machen. Das teilte gestern der Sprecher der Ostberliner Stadtregierung, Christian Hoßbach, in einer Presseerklärung mit.
Die Publikation der Listen war innerhalb der taz stark umstritten. Die Debatte um die Veröffentlichung und die Vergangenheitsbewältigung in der DDR wurde inzwischen auch von anderen Zeitungen, insbesondere Berliner Blättern, aufgenommen. So druckte der liberale 'Morgen‘ beispielsweise zwei Kommentare - einen pro, einen contra taz -Veröffentlichung - ab. Die zum PDS-Medienimperium zählende 'Berliner Zeitung‘ wandte sich strikt gegen eine Bekanntmachung der Adressen. Hauptkritikpunkt: Es könne zu Übergriffen auf die Bewohner der Wohnungen kommen. Da aus der taz-Sonderausgabe eindeutig hervorgehe, daß es sich um ehemalige Stasi-Objekte handele, sei die Veröffentlichung aber „voll verantwortbar“, erklärte Hoßbach. Gerade die Berliner Bevölkerung habe unter der ständigen Präsenz der Stasi gelitten. Die Öffentlichkeit habe ein Recht zu erfahren, wie groß der Apparat der Stasi gewesen sei, welche Unsummen für die Bespitzelung der Bevölkerung ausgegeben und wieviele Wohnungen im von Wohnungsmangel geplagten Berlin von der Stasi mißbraucht wurden. Nicht Ruhe sei die erste Bürgerpflicht, sondern Aufklärung und offene Diskussion, erklärte Hoßbach weiter. Der Magistrat will zunächst 300 Sonderausgaben der taz bestellen.
Uwe Lehmann, Stadtverordneter der Fraktion Bündnis 90/Grüne, kritisierte diese Entscheidung des Magistrats als „nicht günstig“. Er habe zwar etwas dagegen, daß „solche Sachen geheim bleiben“. Weil er Ausschreitungen befürchte, fände er es aber nicht gut, „daß das jetzt jeder unter dem Kopfkissen haben kann“. Die Auslegung der taz-Sonderdrucke in den Bibliotheken sei seiner Auffassung nach eine „politische Aufwertung“, der er skeptisch gegenüberstehe. Carlo Jordan, ebenfalls Mitglied von Bündnis90/Grüne Fraktion, hält die taz-Veröffentlichung dagegen „für eine gute Sache“. Jordan, der jahrelang in der illegalen Umweltschutzgruppe Arche aktiv war, wurde lange Zeit von der Stasi observiert.
Ebenfalls „Bedenken“ im Zusammenhang mit der taz -Veröffentlichung äußerte der Chef der PDS-Fraktion im Roten Rathaus, Wolfram Adolphi. Die Stadtverordnetenvorsteherin, Christine Bergmann, hält die Publikation dagegen für richtig, weil man darüber eine Diskussion um die DDR -Vergangenheit in Gang setzen könne.
ccm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen