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Magdeburger FDP vor Zerreißprobe

Ex-Minister Rehberger fordert FDP-Landeschef Kunert zum Rücktritt auf und prüft strafrechtliche Konsequenzen / Kunert und Fraktionschef Haase in Bonn zum Rapport  ■ Aus Magdeburg Eberhard Löblich

Nach der Wahl Christoph Bergners zum neuen Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt ist der Machtkampf innerhalb der Landes-FDP wieder mit voller Wucht entbrannt. Der wegen seiner Verwicklung in die Gehälteraffaire als Wirtschaftsminister zurückgetretene stellvertretende FDP-Landesvorsitzende Horst Rehberger hat den Landesvorsitzenden Peter Kunert zum Rücktritt aufgefordert.

Kunert habe die Abgeordneten der FDP-Landtagsfraktion mit Drohungen und Versprechungen unter Druck gesetzt und versucht, sie so auf seine Forderung nach Auflösung des Landtages und Ausschreibung von Neuwahlen einzuschwören. Rehberger erklärte, es werde geprüft, ob der Straftatbestand der Nötigung eines Verfassungsorgans vorliege. Kunert und der FDP-Fraktionschef Hans-Herbert Haase fuhren gestern nach Bonn zum Rapport beim Präsidium der Bundes-FDP.

Mitglieder der FDP- Landtagsfraktion bestritten unterdessen, nur wegen der Sicherung ihrer Diäten für Christoph Bergner und damit gegen Kunert und dessen Forderung nach Neuwahlen gestimmt zu haben. Es gehe einfach darum, im Landtag wichtige Gesetze noch unter Dach und Fach zu bringen, an erster Stelle den Haushalt 1994. „Wenn wir jetzt die Auflösung des Landtages beschlossen hätten, dann wären die Abgeordneten in den nächsten drei Monaten im Wahlkampf gewesen und die Haushaltsberatungen in den Parlamentsausschüssen hätten vor leeren Stuhlreihen stattgefunden“, sagte zum Beispiel der Abgeordnete Wolfgang Buchholz. „Die Kommunen sind aber auf die baldige Verabschiedung angewiesen, um ihre eigenen Etats planen zu können.“

Sicher könne die Wahlperiode nicht, wie ursprünglich von der zurückgetretenen Regierung Münch geplant, bis in den Herbst 1994 fortgesetzt werden, räumten Mitglieder der FDP-Fraktion ein. „Mir wäre ein Wahltermin noch vor der Sommerpause am liebsten“, sagte Buchholz.

Der FDP-Fraktion gehe es um die Fortsetzung von Sachpolitik im Landtag und nicht um schnöden Mammon, sagte ein Abgeordneter. Dabei sei es derzeit noch völlig offen, ob diese Sacharbeit im Landtag mit einer Neuauflage der CDU/FDP-Koalition oder der Tolerierung einer Minderheitsregierung unter Christoph Bergner durch die Liberalen gemacht werde. Auf jeden Fall wollen sich die Fraktionsmitglieder von Kunert nicht länger mit Listenplätzen oder deren Verlust unter Druck setzen lassen: „Über dieses Stadium sind wir hinaus.“

Eine wichtige Vorentscheidung im liberalen Machtkampf wird heute nachmittag bei einer außerordentlichen Sitzung des FDP- Landesvorstandes fallen. Ob Kunert nach seiner ersten politischen Niederlage durch die Wahl Christoph Bergners dann doch wieder als strahlender Sieger aus den parteiinternen Querelen hervorgeht oder sich die Mehrheit der Argumentation der Fraktion anschließt, wagen derzeit nicht einmal Insider der Partei vorherzusagen.

Die Regierungskrise in Magdeburg beschäftigte am Freitag auch das FDP-Präsidium in Bonn in einer Sondersitzung, an der auch Kunert und Haase teilnahmen. Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Hermann Otto Solms, sagte, die Parteispitze nehme keinen Einfluß. Nach Angaben Rehbergers wollen an diesem Samstag der FDP-Landesvorstand und die Kreisverbände zu Sondersitzungen zusammenkommen.

Auf einem Landesparteitag am 11. Dezember will die FDP ihre Kandidaten für die Landtags- und Bundestagswahl nominieren.

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