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MagazinDas zweite Leben

Nach acht Jahren Pause hat die "Zeit" wieder ein Magazin. Geleitet vom 33-jährigen Christoph Amend, verspricht es Verjüngung. Noch überwiegt das Altbekannte.

Amend, di Lorenzo und ihr neuer Claim: Denken, Fühlen: Leben. Bild: dpa

Kennen wir uns nicht?, steht auf dem Cover der ersten Ausgabe des neu aufgelegten Zeit-Magazins, und diese Frage ist doppeldeutig zu verstehen: Einerseits bezieht sie sich auf den Mann, der den Leser auf der ersten Seite anblickt, es ist ein schon etwas älterer Mann, der mit einer Perücke auf jung getrimmt wurde, und irgendwie kommt er einem tatsächlich bekannt vor, und man blättert um und sieht: Es ist Günter Wallraff. Er "macht wieder Ärger", steht darunter, was bedeuten soll: Wallraff hat sich verkleidet und als Angestellter in ein Callcenter eingeschlichen und schreibt im Zeit-Magazin darüber.

Kennen wir uns nicht?, diese Frage kann man andererseits aber auch auf das gesamte Heft beziehen. Im Jahr 1999 hatte die Zeit ihr Magazin eingestellt, jetzt ist es wieder da, und fast ist es so, als wäre es nie weg gewesen. Man kann das so positiv sehen wie Christoph Amend, 33, der Chef des Magazins: "Die Leser sollen das Magazin von Anfang an für etwas Selbstverständliches halten", sagt Amend. Er war bis 1998 Redakteur bei jetzt, der Jugendbeilage Süddeutschen Zeitung, wechselte dann gemeinsam mit Giovanni di Lorenzo als einer der neuen namhaften Journalisten zum Berliner Tagesspiegel, und als di Lorenzo Chef der Zeit wurde, folgte er ihm auch dorthin.

Auf ewig Siebeck

ZEIT-MAGAZIN LEBEN

80 Seiten umfasst das Heft, das heute zum ersten Mal nach acht Jahren wieder der Zeit beiliegt. In der Beilage geht das Ressort "Leben" auf, dessen bisheriger Leiter Christoph Amend auch dem Magazin vorsteht. 30.000 LeserInnen verlor die Wochenzeitung laut Chefredakteur Giovanni di Lorenzo nach der Aufgabe des Magazins. Ob die angesichts der eher braven Neuauflage wiederkommen, ist fraglich - aber auch nicht so entscheidend, denn die farbsatten Tiefdruck-Seiten sollen vor allem Anzeigenkunden von Luxusprodukten anlocken, die Zeitungspapier sonst meiden.

Man könnte aber auch sagen: Das kennen wir alles schon. Denn das neue Magazin fühlt sich genauso an wie das alte, mit einigen neuen Autoren, aber eben auch mit dem ewigen Siebeck, dem routinierten Martenstein und der Logelei. Und es scheint so, als ob die LeserInnen sich nichts anderes gewünscht hätten. "Bei einem Marktforschungsinterview mit Zeit-Lesern saßen wir hinter einem verglasten Spiegel", berichtet Amend. "Das Gespräch hatte kaum begonnen, da meldete sich eine Frau und sprach darüber, dass sie sich vor dem Interview gefragt habe, welchen Zweck dieses Gespräch haben könne. Und dann fragte sie: 'Führt ihr das Magazin wieder ein?' Wir konnten es kaum glauben."

Amend sitzt im schicken Berliner Büro der Zeit in der Dorotheenstraße, vom Schreibtisch aus kann er den Reichstag sehen und das berühmte Willy-Brandt-mit-Kippe-und-Klampfe-Plakat an der Wand. Auf dem Boden liegt ein brauner Leder-Fußball, ein Symbol für Amends zweites Leben. Eigentlich wollte er Profi-Spieler werden, doch mit 15 Jahren verletzte er sich schwer. Er knickte um, die Wachstumsfuge sprang heraus. "Ich hatte großes Glück, dass mein Bein trotzdem weitergewachsen ist. Der Arzt hat mich gewarnt, weiter zu spielen." Als die Verletzung ausgeheilt war, ging Amend in England zur Schule - und hier sollte der junge Mann in einer der ersten Stunden der Klasse erklären, warum das Vereinigte Königreich keine Angst vor einem wiedervereinigten Deutschland haben müsse. Daraus entstand dann ein Artikel für die Schülerzeitung. "Ab da war es das Schreiben, nicht mehr der Fußball."

Und dennoch, sein Traum ist die Fußballkarriere geblieben. "Wenn ich mit meiner Freundin zum Essen beim Italiener gehe, kommen wir auf dem Weg an einem Fußballplatz vorbei. Ihr ist aufgefallen: Da verlangsamen sich immer meine Schritte."

Vorbei. Jetzt ist Amend bei der Zeit, und man kann nicht genug betonen, wie ungewöhnlich diese Karriere ist: Amend, dessen einziger Bildungsabschluss das Abitur ist, leitet ein Ressort bei einer Publikation, die bildungsbürgerlicher kaum sein könnte, mit einem Impressum voller Doktortitel. "Die Nachbarn meiner Eltern, langjährige Zeit-Leser, konnten anfangs nicht glauben, dass der Frechdachs von nebenan bei ihrer Zeitung arbeitet", erzählt Amend. Und freut sich.

Ein junger Wilder, ein Frechdachs, das ist er allerdings schon lange nicht mehr. "Ich halte wenig davon, ständig Revolutionen auszurufen", sagt er.

Schwaches erstes Spiel

Das Ressort "Leben", vom jetzigen Brigitte-Chefredakteur Andreas Lebert entworfen und vor der Neuauflage des Magazins unter Amend zur Blüte gereift, hatte mehr revolutionäres Potenzial als das neue, alte Magazin. Die Gestaltung war freier, die Bildsprache moderner, es kam nicht so betulich daher wie der Rest der Wochenzeitung und war für viele jüngere Leser wohl der einzige Grund, die Zeit zu kaufen. "Das Magazin ist eine Weiterentwicklung des Zeitungsressorts Leben", sagt Amend nun, und dass die Redaktion in der Entwicklung sehr frei gewesen sei: "Der Arbeitsauftrag von Verlag und Chefredaktion und Verlag lautete: 'Macht was draus.'" Er hätte diese Freiheit mehr nützen können. Haben sich seine Schritte verlangsamt? Oder ist da noch Wachstumspotenzial? Wir wollen es gerne glauben. Denn das erste Heft, das ist nur das erste Spiel einer neuen Saison. Mal sehen, ob Amend den ewigen Meistern vom SZ-Magazin auf Dauer den ersten Platz in der Tabelle der besten deutschen Magazine streitig machen kann. Noch steht es unentschieden.

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