: Mafiosi! Die SPD will Eure Villen im Tessin enteignen!
■ SPD will Vermögen schon bei Verdacht einziehen / Lauschangriff, aber kein Spähangriff
Bonn (taz) – Die SPD holt zum verfassungsrechtlichen Doppelschlag gegen das organisierte Verbrechen aus. Durch Änderung des Grundgesetzes soll die Strafverfolgung effektiver und die Beschlagnahme kriminell erworbenen Eigentums erleichert werden. Nach einer Konferenz der SPD-Innen- und Justizminister legten Parteichef Rudolf Scharping und Innenexperte Ulrich Maurer gestern einen Gesetzentwurf vor, der die Beschlüsse des Wiesbadener Parteitags vom November 1993 umsetzt. Damals hatte sich die SPD mit knapper Mehrheit zum Großen Lauschangriff durchgerungen. Die „elektronische Wohnraumüberwachung“ soll nun durch die Änderung von Grundgesetzartikel 13 (Unverletzlichkeit der Wohnung) und der Strafprozeßordnung ermöglicht werden.
Vor allem will die SPD jedoch, daß Einkünfte aus dunklen Geschäften künftig wirksam eingezogen werden können. „Geld ist der Lebensnerv der Organisierten Kriminalität“, heißt es in dem Entwurf. Um diesen Nerv zu treffen, wird Artikel 14 GG (Eigentum) ergänzt und die Beweislast umgekehrt: „Vermögen, das aus Straftaten herrührt oder dafür verwendet werden soll, wird nicht geschützt. Es kann wegen der von ihm drohenden Beeinträchtigung der rechtsstaatlichen Ordnung entschädigungslos eingezogen werden, wenn die Vermutung nicht widerlegt wird, daß es aus schweren Straftaten herrührt oder hierfür verwendet werden soll.“
Bisher kann Vermögen aus undurchsichtigen Quellen nur dann beschlagnahmt werden, wenn sein Besitzer des unrechtmäßigen Erwerbs überführt ist. Die SPD will, daß bei Verdacht in einem zweistufigen Verfahren das Vermögen zunächst vorläufig beschlagnahmt und schließlich enteignet wird, wenn der Eigentümer den Verdacht in einem gerichtlichen Verfahren nicht widerlegen kann. Innenexperte Maurer verwies darauf, daß damit auf einen Kerngedanken des amerikanischen Rechts zurückgegriffen wird. Scharping meinte, daß die Beweislastumkehr auch für das deutsche Recht nicht neu sei. Möglich sei dieses Verfahren beispielsweise im Steuerrecht. Das „scharfe Schwert dieser Maßnahme“ – so charakterisiert die SPD-Pressemitteilung den Vorschlag – soll bei Vermögenswerten ab 15.000 Mark angewandt werden dürfen. Der CDU-Innenexperte Johannes Gerster nannte das Konzept postwendend verfassungswidrig, weil es die im Grundgesetz verankerte Unschuldsvermutung mißachte.
Die Formulierungen zum Abhören von Wohnungen halten sich eng an die Beschlüsse des Parteitags. Ein Vorentwurf hatte auch die optisch-elektronische Überwachung vorgesehen. Der Bremer Justizsenator Henning Scherf monierte daraufhin, daß dies „noch weit über den Wiesbadener Beschluß hinausgeht“. Scharping hatte daraufhin letzte Woche öffentlich dementiert, die SPD plane nun den „großen Spähangriff“. Der gestern vorgelegte Entwurf verwendet durchgängig die Formulierung, es dürfe „das nichtöffentlich gesprochene Wort mit technischen Mitteln abgehört und aufgezeichnet“ werden. Die Maßnahme muß jeweils von einem Gericht angeordnet werden.
Im Artikel 13 soll auch die ungewöhnliche Festlegung stehen, daß das entsprechende Gesetz mit Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden muß. Das Abhören ist dem Betroffenen nachträglich mitzuteilen, ein Beschwerderecht ist vorgesehen. Die Telefonüberwachung soll nur bei Verdacht auf Straftaten angewandt werden, die mit mehr als vier Jahren Haft bedroht sind. Scharping kündigte an, den Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause einzubringen. tib
Siehe auch Seite 4, Kommentar Seite 10
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