Männerkongress in Düsseldorf: Tabubrecher unter sich
Der zweite Männerkongress der Uni Düsseldorf trägt den Titel „Scheiden tut weh“. Mitveranstalter ist der antifeministische Verein Agens.
Männer sind anfälliger für Schlaganfall und Herzinfarkt, sind häufiger übergewichtig und alkoholkrank, stellen drei Viertel der Verkehrstoten und der Selbstmörder. Dass ihre Lebenserwartung über fünf Jahre niedriger liegt als die von Frauen, ist kein biologisches Naturgesetz, sondern auf krank machende Bedingungen und Geschlechternormen zurückzuführen. Männer vernachlässigen ihre Gesundheit, ernähren sich falsch, missachten selbst massive Warnsignale. Sie riskieren zu viel und nutzen seltener Vorsorgeangebote.
Weibliche Initiativen haben einst dafür gesorgt, dass der geschlechtsspezifische Blick auf die Medizin geschärft wurde. Die Frauengesundheitsbewegung skandalisierte zum Beispiel, dass Testreihen zu neuen Medikamenten nur mit männlichen Probanden durchgeführt wurden. Sie verwies darauf, dass die Symptome eines Infarkts bei Frauen radikal andere sind. Um spezielle Faktoren, die Männer krank machen, kümmerte sich die Forschung lange wenig.
Erst in jüngster Zeit hat sich eine „Männergesundheitsbewegung“ etabliert. Wenn am Freitag also Mediziner und Therapeuten zum „Männerkongress“ an die Universität Düsseldorf laden, befriedigt das einen gewissen Nachholbedarf. Im Detail aber stimmen politische Deutungen und die Wahl der Kooperationspartner nachdenklich.
Schon bei der Vorgängertagung „Neue Männer – muss das sein?“ im Februar 2010 war die Auswahl der Referenten umstritten. Seriöse Experten wie der Leipziger Medizinsoziologe Elmar Brähler oder der Stuttgarter Historiker Martin Dinges dozierten neben Gerhard Amendt. Der früher in Bremen lehrende Geschlechterforscher, der jetzt in Wien lebt, vertritt provozierende Ansichten. So fordert er die Abschaffung der Frauenhäuser, hält den dort Tätigen „antipatriarchale Kampfrhetorik“ und eine „Ideologie des Radikalfeminismus“ vor. In privaten Beziehungen seien Frauen ebenso gewalttätig wie Männer, behauptet Amendt. In seinen Studien unterscheidet er „Handgreiflichkeiten“ nicht von schweren körperlichen Verletzungen, deren meist weibliche Opfer die Frauenhäuser füllen.
„Das darf man hier doch wohl noch sagen“
Durch seine im wissenschaftlichen Duktus vorgetragenen, aber polarisierenden Thesen hat sich Amendt zur Reizfigur entwickelt. Seinen letzten Auftritt in Düsseldorf versuchten Aktivistinnen mit Interventionen beim Rektor und bei der Gleichstellungsbeauftragten zu verhindern. Die Hochschule reagierte mit erhöhtem Sicherheitsaufwand und dem Einsatz eines Leibwächters. Im Vortrag vermied Amendt nervös polemische Übertreibungen. Er wollte dem stimmigen Feindbild nicht entsprechen, aber auf den Gestus des Tabubrechers wider die politische Korrektheit auch nicht völlig verzichten. Sein Satz „Das darf man hier doch wohl noch sagen“ erinnerte an Guido Westerwelles Attacke auf die angebliche „spätrömische Dekadenz“ von Hartz-IV-Empfängern.
Amendt gehört dem Verein Agens an, den Autoren des antifeministischen Sammelbands „Befreiungsbewegung für Männer“ 2009 gründeten. Die „Arbeitsgemeinschaft zur Verwirklichung der Geschlechter-Demokratie“ vertritt ein traditionelles Rollen- und Familienbild, gibt sich aber dialogbereit und sucht den Kontakt zu anerkannten Fachleuten. Beim Männerkongress tritt Agens diesmal als „Praxispartner“ auf, lädt abends zwecks „Vernetzung“ zum „Get-Together“.
Die Gruppe will akademische Debatten beeinflussen – etwa 2011 im Wissenschaftszentrum Berlin. WZB-Chefin Jutta Allmendinger entschied sich zur Teilnahme, obwohl das Podium vorwiegend mit Vereinsvertretern oder Unterstützern besetzt war. Im Nachhinein monierte die Agens-Website eine angebliche „Diskursverweigerung“, weil die maskulinistischen Thesen der Redner beim Publikum nicht gut angekommen waren.
Resonanzboden für radikalere Strömungen
Offen für männerrechtliche Anliegen zeigen sich zwei politische Stiftungen. Eine geplante Veranstaltung von Agens mit der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Hannover scheiterte lediglich am fehlenden Publikumsinteresse. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung führte bereits 2009 die Tagung „Ein Männeraufbruch ist überfällig“ in Mainz durch. Karl-Heinz van Lier, Leiter der Stiftung in Rheinland-Pfalz, ist Mitglied bei Agens.
Unter den Rednern waren der rechtskonservative Deutschlandfunk-Journalist und Junge- Freiheit-Autor Jürgen Liminski, der antifeministische Blogger Arne Hoffmann sowie Hartmut Steeb von der „Deutschen Evangelischen Allianz“ – einer Dachorganisation evangelikaler Christen, die als „Kreationisten“ die biblische Schöpfungslehre wörtlich nehmen und Homosexualität für eine (heilbare) Krankheit halten. Einen Vortrag hielt auch der Psychosomatiker Matthias Franz, später Organisator der Düsseldorfer Männerkongresse.
Wenn sich die Uni-Mediziner nun um die „Elterliche Trennung aus Sicht der Väter und Kinder“ kümmern, greifen sie ein vernachlässigtes Forschungsgebiet auf. Diskussionsverbote sind sicher der falsche Weg, der angekündigte Protest von Studierenden und linken Gruppen („Männerkongress unmöglich machen! Maskulinisten demaskieren!“) erstaunt dennoch nicht. Mehr Sensibilität bei der Tagungsgestaltung wäre dem heiklen Thema angemessen. Denn Referenten wie Amendt und Vereine wie Agens sind der Resonanzboden für radikalere Strömungen, die sich im Internet austoben.
Dort verarbeiten Trennungsväter und „Quotengeschädigte“ persönliche Opfererfahrungen teilweise zu absurden Verschwörungstheorien. Den Akteuren gehe es „um die Stärkung oder zumindest den Erhalt männlicher Vorrechte“, glaubt der Sozialwissenschaftler Hinrich Rosenbrock, der die männerrechtlichen Netzwerke für die Heinrich-Böll-Stiftung untersucht hat: Deren Denkweise gipfele „in Vernichtungsphantasien gegen den Feminismus und gegen einzelne Personen“.
Männerkongress "Scheiden tut weh - Elterliche Trennung aus Sicht der Väter und Kinder", 21./22. September 2012, Universität Düsseldorf, Hörsaal 13 A
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“