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Männer ohne Frauen

■ Keine Zellen, fast keine Klos, keine Kolleginnen: das ist das neue City-Polizeirevier im alten Gestapohauptquartier Am Wall /Besuch in einem Provisorium in Eiter und Braun

An manchen Tagen beschleicht einen das Gefühl, das nicht der Zufall das Leben regiert, sondern ein unendlicher Plan, Fügung, ein höheres Wesen. Nur so ist es zu erklären, dass die einzige Toilette im neuen Polizeirevier Innenstadt die Raumnummer 007 trägt. Ansonsten passt leider wenig zusammen im ehemaligen Gestapo-Hauptquartier Am Wall, in das die Beamten jetzt umgezogen sind. Obwohl gestern der Polizeipräsident selbst seinen Mannen einen Eröffnungsbesuch abstattete, dringt Gemaule aus den geschichtsbeladenen Mauern.

Zwar sei die Situation im benachbarten Polizeihaus, aus dem die Wache wegen des bevorstehenden Umbaus heraus mußte, noch miserabler gewesen, sagt Polizeihauptmeister Ingmar Steins. Doch auch das neue Domizil, in das er und seine Kollegen übergangsweise dirigiert wurden, biete alles andere als gute Arbeitsbedingungen. So irrten gestern junge Männer unter Hochdruck durch die alten Gänge, verzweifelt bemüht, irgendwo ihr Wasser abzuschlagen. Der Altbau birgt nur minimale sanitäre Anlagen: Neben der Abteilung 007 gibt es lediglich eine Dusche – und das für Bremens personalstärkste Wache mit Steins zufolge knapp 90 Männern in Wechelsdienst. Eine Folge ist die zweifelhafte Ehre, weiterhin Bremens einzige Wache ohne weibliche Beamte zu sein.

Auch dürfte es zukünftig zu denkwürdigen Begegnungen zwischen abschlackernden Ordnungshütern und abschlackernden Kriminalinskis kommen: Die kriminelle Kundschaft hat nämlich ebenfalls kein eigenes Klo. Zellen übrigens auch nicht, weswegen erschlaffte Säufer ab sofort in andere Reviere expediert werden müssen.

Immerhin, und da freuen sich die Citypolizisten schon drüber: Man hat sie nicht in irgendwelchen Containern in den Wallanlagen geparkt, die Räume sind größer geworden, und die eine oder andere Wand ist frisch getrichen. Dazu zwei richtige Fernsehgeräte. Und: Es gibt neue gebrauchte Polstermöbel zum dienstmäßigen Abhängen („Nach dem Einsatz ist vor dem Einsatz“), gespendet von Siemens, der Landeszentralbank und anderen Wohltätern. Variationen von Eiter und Erde bestimmen die Farbpalette, dazu redliches Grau und ganz viel Kunsteiche. Eben kommt ein neues (!) titanblaues Sitzmöbel herein, und die Funkgeräte stehen stramm.

Weniger schön finden die Polizeimänner, das fortan keine geschützten Räume mehr existieren, wo Bürgerinnen und Bürger in Ruhe einzeln ihre Anzeigen erstatten können. Doch auch das Große, Ganze grämt Polizeihauptmeister Steins, der schon ewig lange in der City Dienst tut und mit Grabesstimme von seinen Enttäuschungen in Sachen „Neues Revier“ berichtet: Es könnte doch sein, mutmaßt er, dass seine Oberen nach einiger Zeit der Meinung sind, dass das Provisorium Am Wall 199 doch ganz gut laufe – und eine wirklich neue, moderne Wache im umgebauten Polizeihaus gar nicht mehr nötig sei. Bisher ist geplant, dass das 6. Revier lediglich zwei Jahre in dem Altbau logiert. Über dessen dunkle Vergangenheit erfahren Besucher übrigens nichts mehr: Die Gedenktafel, die an die Zeit als Gestapohauptquartier erinnert, ist seit einiger Zeit abmontiert.

hase

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