: Machtkampf an Nigerias Staatsspitze
Vizepräsident Atiku stellt sich offen gegen Ambitionen, Präsident Obasanjo eine dritte Amtszeit zu ermöglichen
BERLIN taz ■ Die schwelende Krise an Nigerias Staatsspitze über eine mögliche dritte Amtszeit des Präsidenten Olusegun Obasanjo wird zum offenen Konflikt. Vizepräsident Atiku Abubakar leistet sich mit seinem Chef eine Schlammschlacht, Sprecher von Präsident und Vizepräsident fordern jeweils den Rücktritt des anderen, und in nigerianischen Medien wird erneut Sorge um die Stabilität der jungen Demokratie des bevölkerungsreichsten Landes in Afrika laut.
Anfang der Woche hatte Obasanjo bei seinem US-Besuch per Interview in der Washington Post seinen Willen durchblicken lassen, Nigerias Verfassung zu ändern, um die Beschränkung der gewählten Amtszeiten eines Staatschefs auf zweimal vier Jahre aufzuheben. Gott werde entscheiden, ob er nach dem Ablauf seiner laufenden zweiten Amtszeit Präsident bleiben könne, ließ er sich zitieren. Obasanjo regiert Nigeria als gewählter Präsident seit 1999, als historische freie Wahlen eine 16-jährige Militärdiktatur beendeten. 2003 wurde er wiedergewählt, 2007 stehen Nigerias nächste freie Wahlen an.
Dass Obasanjo gern an der Macht bleiben würde, ist in Nigeria ein offenes Geheimnis. Je näher der Wahltermin 2007 rückt, desto mehr regt sich dagegen Widerstand. Obasanjos eigene Partei PDP (Demokratische Volkspartei), die bei Nigerias Demokratisierung als breites Zweckbündnis von reformbereiten Militärs, realpolitischen Demokraten, regionalen Herrschern und korrupten Geschäftsleuten entstanden war, steckt voller ambitionierter Politiker, die auf Posten warten. Nach Obasanjos Wiederwahl 2003 hatte sich die parteiinterne Debatte zunächst nur noch darum gedreht, welcher Landesteil Nigerias den nächsten PDP-Präsidentschaftskandidaten stellen dürfte. Da Obasanjo aus dem christlichen Süden kommt, sollte nun der muslimische Norden dran sein, in dem vor allem hohe Militärs die Politik bestimmen.
Dass Obasanjo nun Nigerias latente Krisen – die Rebellionen in den Ölgebieten, die Gewalt zwischen Christen und Muslimen, die Islamisierung des Nordens – dafür nutzt, um die Nachfolgedebatte in der PDP zu unterbinden, regt vor allem Politiker des Nordens auf. Vizepräsident Atiku ist ihr ranghöchster Vertreter und hat sich nun an ihre Spitze gestellt. In einer Brandrede auf einem Treffen von Provinzgouverneuren und Parlamentariern der Partei erklärte er in der Nacht zu Donnerstag, die PDP sei „gekidnappt“ worden und müsse zurückerobert werden. Führer mehrerer Oppositionsparteien riefen zum Widerstand gegen Obasanjo auf, weil dieser Nigeria zurück in die Diktatur führen werde.
Ein anderes Treffen von PDP-Gegnern des Staatschefs im Sheraton-Hotel der nigerianischen Hauptstadt Abuja wurde in derselben Nacht von Polizisten gewaltsam verhindert. Obasanjo-treue Regierungsmitglieder verlangten am Donnerstag den Rücktritt des Vizepräsidenten. Dessen Sprecher konterte: Die Rücktrittsforderung müsse Obasanjo selbst gelten. Die Gegner einer Amtszeitverlängerung des Präsidenten verweisen darauf, dass in vielen anderen Ländern Afrikas der Erfolg einer Demokratisierung davon abhängt, dass der Machthaber die Spielregeln nicht zu seinen eigenen Gunsten verändert.
DOMINIC JOHNSON