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Machtkalkül

■ Die Eskalation der Gewalt in Belfast

Die Ereignisse der letzten Woche in Belfast bedeuten selbst für das kriegsgewohnte Nordirland eine neue Dimension der Gewalt. Bisher hatten beide Seiten in dem Konflikt die Beerdigungen ihrer Gegner respektiert. Das hat sich jetzt geändert. Hinter der Eskalation der Gewalt steckt jedoch eine Taktik von Polizei und Armee: An beiden Provokationen waren die „Sicherheitskräfte“ zumindest auf unterer Ebene beteiligt. Am Mittwoch hatte die Polizei in einem Lieferwagen den Mord während des IRA–Begräbnisses aus kurzer Entfernung beobachtet, ohne einzugreifen. Augenzeugen behaupteten, daß einer der Attentäter in dem Polizeiwagen entkommen sei. Vorgestern fuhren zwei bewaffnete britische Soldaten mit hoher Geschwindigkeit auf die Trauerprozession zu, wurden aber von der aufgebrachten Menge überwältigt und dann von der IRA ermordet. Die offizielle Version, daß sich die in Zivil gekleideten Soldaten verfahren hätten, ist völlig unglaubwürdig. Polizei und Armee haben sich in der letzten Woche dem Druck der Kirche, einiger Politiker und der katholischen Minderheitsbevölkerung gebeugt und sich zum erstenmal von IRA– Beerdigungen ferngehalten. Die „Aufrechterhaltung der Ordnung“, also die Rolle der Polizei, wurde der IRA überlassen. Durch die provozierten Zwischenfälle sollte der Öffentlichkeit, aber vor allem den Bewohnern des katholischen Viertels, demonstriert werden, daß die IRA dieser Rolle nicht gewachsen sei und daß die Anwesenheit von Polizei und Armee zum Schutz der Bevölkerung daher unabdingbar sei. Ralf Sotscheck

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