: Machtarroganz
■ Betr.: Große Koalition erteilt weiterer Fixerstube in St. Georg Absage, taz hamburg vom 17.11.99
Während in einem anderen Presseorgan die Auseinandersetzungen um die Hamburger Drogenpolitik unzutreffend nahezu ausschließlich auf einen „Glaubenskrieg“ zwischen sog. „akzeptierender“ und sog. „ausstiegsorientierter“ Drogenarbeit reduziert und die Rolle der Politiker im Bezirk Mitte und der Verwaltungsleute in der BAGS gar nicht thematisiert wird, macht die taz hamburg exklusiv deutlich, was jeder hier in St. Georg und viele darüber hinaus wissen: Dass es nämlich vor allem die SPD-CDU-Koalition im Bezirk Mitte und die BAGS – vertreten durch den bisherigen Drogenbeauftragten – waren und sind, die blockieren und Lösungsversuche lähmen oder schon im Keim ersicken. Die Handlungsmöglichkeiten von Politik und Verwaltung sind keineswegs gering, nur setzt dies Personen voraus, die kommunikations- und kooperationsfähig und –willig sind.
Ausdruck dessen, dass sich die BAGS seit Jahren nicht ausreichend und nicht angemessen um die Belange von St. Georg und die Meinungen der dortigen Bürger und Fachgremien gekümmert hat, ist auch das 140.000 DM teure und eigentlich überflüssige sog. „Mediationsverfahren“, das vor allem – neben taktisch-strategischen Gründen – wegen des Versagens der Verwaltung und der Politik durchgeführt wurde. Es geht hier wie auch beim Gesundheitsraum in Billstedt nicht – wie Senatorin Roth immer behauptet – um die Akzeptanz der Drogenarbeit in der Bevölkerung, sondern in Politik und Administration.
Es ist nicht sehr realitäts- und praxisnah – und wohl auch nicht ganz ehrlich – wenn Politikexponenten aus Mitte und Verwaltungsleute der BAGS, aber auch Drogenträgervertreter dezentraler Einrichtungen glauben und äußern, man könne und müsse Drogenabhängige, die sich wegen ihrer Krankheit baldmöglichst in einem Gesundheitsraum und eben nicht in der Öffentlichkeit oder in einem Hauseingang „einen Schuss setzen“ wollen und müssen, kilometerweise woandershin „weiterverweisen“ oder „vermitteln“. Vergleichbare Städte im In- und Ausland haben auch deshalb im Zentrum mehrere Fixerräume, die sich zeitlich ergänzen, Szenekonzentrationen vermeiden und auch dadurch den Stadtteil entlasten.
Derartige Konzepte, die diese Bezeichnung im Unterschied zum sog. „Hamburger Dezentralisierungs-Konzept“ auch verdienen, sind dort jedoch nicht wegen weniger Streit unter den Trägern und Einrichtungen möglich und erfolgreich, sondern wegen einer pragmatischen und flexiblen sowie praxis- und bürgernahen Politik – ohne die BAGS- und Mitte-typische Machtarroganz und Betonmentalität. Wolfgang Hager
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