: Macht und Stärke
■ betr.: "Ökologie und Irak-Krise" und "Vertriebene auf leisen Sohlen gen Osten", taz vom 24.10.90
betr.: „Ökologie und Irak-Krise“ und „Vertriebene auf leisen Sohlen gen Osten“, taz vom 24.10.90
Michaela Hustedt, Gisela Nacken und Tina Stein stellen zu Recht den Zusammenhang zwischen ökologischer Krise, Nord-Süd-Konflikt und Regionalismus her. So unterstreichen sie die große politische Bedeutung der Regionen als für den „ökologischen Umbau“ im nationalen und internationalen Bereich auf lange Sicht geeignetste staatliche Einheiten. Fraglich erscheint mir allerdings die Gegenüberstellung von „Prinzip der Macht und Stärke“ und „dem (Prinzip) der Demokratie“; zumindest die heute verbreitete Form der auf Massenkonsens beruhenden zentralistischen Repräsentationsdemokratie handhabt ja kaum noch zu kontrollierende Macht meisterhaft. Stärke und Macht werden nur in einer föderalistischen Demokratie kontrollierbar, die insbesondere Grundsätzen entsprechend organisiert wird, wie problemorientierter und damit prinzipiell auch wiederrufbarer Kompetenzen und Ressourcenzuteilung; Partizipation von VertreterInnen politischer Einheiten an Entscheidungen übergeordneter Instanzen, denen sie zwecks effektiverer Problemlösung Kompetenzen und Ressourcen abtreten mußten; weitestgehender Reduzierung der Gesetzgebung auf Rahmenregelung und deren Ausfüllung durch Verträge anstatt administrativer Ausführungsbestimmungen. Die Ausarbeitung eines solchen neuen Demokratiekonzepts würde m.E. dazu beitragen, den Zusammenhang zwischen Regionalismus als Instrument zur Errichtung einer ökologischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung auf der nördlichen Erdhalbkugel und der letztlich nur durch diese neue Ordnung zu erreichenden Überwindung des Nord- Süd-Konfliktes zu verdeutlichen und die Erarbeitung politisch verwendbarer Realisierungsstrategien zu ermöglichen. Wie dringend notwendig eine derartige Grundlagenarbeit ist, zeigt Bernd Sieglers Bericht über die Aktivitäten des Bundes der Vertriebenen. Der scheint das Region-Konzept für das anachronistische Endziel der Wiederherstellung eines großdeutschen Reiches zu mißbrauchen. Zur Vermeidung der daraus resultierenden Gefahren für den Frieden in Europa muß die Befriedigung der berechtigten Ansprüche der deutschsprachigen Gruppen in den osteuropäischen Ländern auf kulturelle Autonomie und wirtschaftlich-soziale Entwicklung für die von den drei eingangs genannten Verfasserinnen in ihrem Artikel erwähnte „Übergangszeit“ hin zu einem regionalistischen Europa strikt im Rahmen der heute geltenden zwischenstaatlichen Vereinbarungen erfolgen. Das heißt insbesondere, daß die gegenwärtigen Grenzen bzw. das Staatsgebiet Polens nicht angetastet und keine ausschließlich die deutschsprachigen Gruppen in den osteuropäischen Ländern begünstigende Politik wirtschaftlich-sozialer Förderung betrieben werden darf. Lutz Roemheld, Fröndenberg
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