: MUTTER WAR BEGEISTERT
■ „Hail the New Puritans“ mit Michael Clark im Eiszeit-Kino
Die letzte Fall-LP The Frenz Experiment fing mit Mark E.‘fe2Smiths‘ Feststellung an, daß sich seine Freunde nicht an einer Hand abzählen lassen. Vielleicht ist er froh, so langsam dem Insider-Kreis entkommen zu sein, aber Mark wiederholte diese Zeilen, immer leicht variiert, und so haben sie etwa Drohendes: „My friends don't count up to one hand...“
Hail The New Puritans ist ein buntes Portrait des schwulen Tänzers Michael Clark, der morgens aufsteht, seinen modischen „Iro“ richtig in Form bringt, schon in der U-Bahn, oder noch besser beim Gehen auf belebter Straße demonstrativ ein Buch ließt, in einer Fabriketage mit einigen anderen Tänzern probt, einer Journalistin seine Lebensgeschichte erzählt (mit fünf Jahren in der Küche getanzt, Mutter war begeistert usw.), frühabends in einem schwulen Etablissement ein bißchen Rotlicht-Sex hat und schließlich nachts in einer Disco landet, um bei Tagesanbruch ins Bett zu gehen. Und morgens wieder... usw.
Einmal tanzt eine Frau mit einem Spruchband, „I'm alive“ steht da drauf, das hält sie immer ganz hoch und streckt es der Kamera entgegen, damit man das auch richtig lesen kann. Und Wichtigtuer Michael Clark sagt: „I've found myself in my own dancing.“ Schön für ihn - wie auch für all die anderen Schauspieler auf dieser Welt, die sich in ihren Ausdruckstänzchen endlich ausdrücken können (Fred Astaire dagegen schrieb in seiner Biographie: „Ich will nichts mit dem Tanzen beweisen. Ich habe den Tanz nie als Ventil oder als Mittel benutzt, um mich auszudrücken.“).
In Hail the New Puritans tanzen sie erst zu schönen Pop -Songs und dann zu The Fall. Ein bißchen lächerlich ist das schon, wie diese Burschen bei ihrer Show den Mund öffnen, um Mark E. Smith zu imitieren. Schöne schwule Menschen in schön-bunten Klamotten, mit interessanten Frisuren, Lippenstift und viel Make-up. Hail the New Puritans beweist eigentlich nur, daß man zuFall-Songs genauso tanzen kann wie zu guter Pop-Musik und man nicht immer gleich in dumpfe Pogo-Rituale verfallen muß. Michael Ruff bemerkte vor kurzem in seinem SPEX-Portrait: „Jeder Fall-Freund muß sich fragen, ob er die Band auch aus den richtigen Gründen mag.“ Und vielleicht muß sich auch The Fall mal fragen, ob sie die richtigen Freunde haben.
Torsten Alisch
Bis 31.7. um 21 und 23 Uhr im Eiszeit-Kino
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen