: MUSIK
TIM CASPAR BOEHME
So muss Nachwuchsförderung laufen: Junge Musiker auf die Bühne holen, damit sie dort zeigen können, wie es im Einzelnen um ihre Fähigkeiten steht. Das Festival „Ich bin ein Berliner“ im SO36 tut genau das, Monat für Monat, und wie der Titel schon andeutet, mit Künstlern, die in dieser Stadt ihren Wohnsitz haben. Für die 5. Staffel, deren Auftakt am Freitag begangen wird, empfiehlt sich das Duo Tubbe mit dreckiger und zugleich melodischer Elektropop-Disco. Etwas weniger melodisch, dafür um einiges dreckiger dürfte es bei der Elektropunk-Diva Petra Flurr zugehen, die vom Magazin zum „Best Queer Artist“ gewählt wurde und „grausig flackernde Präsenz“ verspricht. Auch die Kunst des Plattenauflegens soll nicht vernachlässigt werden. In diesem Fach kann man unter anderem die aus Venezuela stammende Wahlberlinerin Aérea Negrot erleben, die als Sängerin für das beliebte Disco-Projekt Hercules & Love Affair zwar nicht mehr so richtig als Nachwuchs zählt, auf deren Darbietung am DJ-Pult man sich aber in jedem Fall kräftig freuen darf (Oranienstraße 190, 23 Uhr).
Seitdem der Festsaal Kreuzberg vor einem Monat erschreckenderweise ausgebrannt ist, geben sich die Betreiber alle erdenkliche Mühe, dass ihr kaum zu ersetzendes Musikprogramm den großen Schwierigkeiten zum Trotz weiterläuft. Man weicht tapfer auf andere Orte aus, bis geklärt ist, ob der ehemalige Hochzeitssaal noch zu retten ist oder man ein neues Zuhause finden muss. Am Samstag gibts im Chesters Club einen „Festsaal in Exile“-Abend mit dem Londoner Dubstep-Produzenten Alex Sushon alias Bok Bok, einem der beiden Gründer des Qualitäts-Labels Night Slugs. Es muss mit lauten Bässen gerechnet werden (Glogauer Str. 2, 24 Uhr, 10 €).
Ebenfalls am Samstag, aber wesentlich ohrenschonender wird es dann bei dem US-amerikanischen Duo Ryan Francesconi & Mirabai Peart im Urban Spree zugehen. Die beiden Musiker kennen sich aus der Band der Folk-Harfenistin Joanna Newsom. Was die zwei zusammen erarbeitet haben, dokumentiert auf dem im vergangenen Jahr erschienenen Album „Road to Palios“, sind fein gesponnene Kompositionen voll verschlungener Melodien, in denen Folk-Einflüsse aus Osteuropa gleichberechtigt neben Barockmusik oder Jazz-Improvisationen stehen. Wie gut solche Erkundungen zwischen den Genres gelingen, hängt immer vom Temperament und Können der Beteiligten ab. Francesconi und Peart sind dabei so versierte, konzentrierte und zugleich erfindungsreiche Instrumentalisten, dass man ihren gemeinsamen Ausflug als im besten Sinn erfolgreich auf sich genommenes Wagnis bezeichnen kann (Revaler Str. 99, 21 Uhr, 10 €).