: MTV- THERAPEUTEN
■ ,Therapy?“ schlugen im Aladin Brücken zwischen Punk-Roots und Pop-Erfolgen
,,Therapy?“ sind die perfekte MTV-Band. Nicht nur haben sie den Werdegang vom hippen Geheimtip zum hitparadenpräsenten Major-Act im Null-komma-nichts unbeschadet überstanden, sie machen auch die hektischsten Videos, tragen die schwärzesten Jacken, entwerfen die pfiffigsten T-Shirts, haben die sinnigsten Alben-Titel (z. B. ,,Troublegum“), können Anekdoten über ihr Fragezeichen er- zählen (,,auf dem Formular der Plattenfirma war noch Platz“), und Sänger Andy Cairns trägt den einzigen Bart in Rock-Geschäft, der nicht doof aussieht (abgesehen vielleicht von ,,ZZ Top“). Ihre Musik knüppelt schnell genug für die Heavy-Fraktion voran, ist aber edel genug produziert für die HiFi-Fans.
Als Vorgruppe für ihr Konzert am Donnerstag im Aladin hatten sich die Iren die Band ,,TerrorVision“ ausgesucht. Sie spielte eine leider recht austauschbare Pop/Hard Rock-Mischung, die ihnen selbst sichtlich mehr Spaß machte als weiten Teilen des Publikums.
Musikalisch ähnlich, aber stilistisch eigenständiger, versierter und vor allem energischer zeigten sich ,,Therapy?“. Man muß kein zwanghafter Nörgler sein, um festzustellen, daß die Alben des Trios mit den Mainstream-Erfolg glatter und kommerzieller wurden. Live indes mochten die Musiker von Glattheit nichts wissen. Gemäßigtere Hits wie ,,Trigger Inside“ oder ,,Nowhere“ wurden mit der selben Härte angegangen wie Songs vergangener Independent-Tage. Das Publikum wußte dies mit unermüdlichem Stagediving und wüstem Gebrüll zu würdigen. ,,Therapy?“ konnten es sich leisten, ihre Verkaufsschlager am Anfang des Konzerts zu verbraten und vermeintlich unbekanntere Stücke als Showdown zu servieren. Den meisten Gästen war das Gesamtwerk der Belfaster wohlbekannt, und sie bejubelten ältere Singles mehr als die, die erst kürzlich die dünne Luft in den Höhen der britischen Top 10 schnupperten.
Trotz des gelegentlichen Hinweises, daß die Stimmung wirklich ,,great“ und die Tatsache, zum zweiten Mal in Bremen zu gastieren, sowieso ziemlich ,,great“ sei, erging sich die Band in wohltuend wenigen Rock-Klischees. Als Cairns zu selbstvergessenem Gitarrengeplänkel einmal androhte: ,,I just want to tell you something,“ befürchtete man zunächst eine schwülstige Lichterketten-Message. Stattdessen: ,,,The Crashtest Dummies' are a fucking shit.“ Und wieder wurde losgebrettert. Schön, daß sie sich mit solchen Statements wenige bis keine Feinde machten an einem Ort, an dem die ,,Grashtest Dummies“ noch vor kurzem ihre 1 1/2 Hits gespielt hatten.
Bei aller Energie, die ,,Therapy?“ am Donnerstag auf die Bühne brachten, scheint ihre Zukunft bedenklich. Schon beim Einlaß wurde man bombadiert mit Handzetteln, die einen in die ,,Therapy? Fan Association GmbH“ locken wollten und mit einen Tourfotografen prahlten, ,,der schon Top-Acts wie Sting, die Scorps oder auch Heroes del Silencio“ geknipst habe. Derlei Kommerzialisierung verdarb einem schon den Spaß an ganz anderen Bands.
Andreas Neuenkirchen
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