MATTHIAS URBACH über DER PERFEKTE KAUF : „Ich zwänge mich nicht in einen Polo!“
Der perfekte Gebrauchte (3 und Schluss): Kurz vor dem Ziel melden sich Zweifler: Warum nicht ein Rapsmobil?
Was bisher geschah: Jemanden hat uns das perfekte Angebot, einen gebrauchten Megane Scenic, vor der Nase weggeschnappt.
„Man weiß nie, wozu etwas gut ist“, sagt mein Frau, als wir wieder auf der Straße vor dem Renault-Händler stehen. Statt einer Antwort trete ich fest gegen den nächsten Laternenpfahl. Nichts ist so begehrenswert wie das, was einem gerade weggeschnappt wurde. „So einen guten Wagen kriegen wir für 9.000 Euro nie, nie wieder!“ Wir stehen wieder ganz am Anfang.
Unter Linksalternativen gibt es völlig unterschiedliche Haltungen zum Auto. Die englische Patentante unseres Sohnes isst zwar nur „organic food“, fährt aber einen uralten malayischen Proton („japanese technology, malaysian style“) – weiß der Teufel, wo sie den her hat. Sie kann uns nicht verstehen: „Mehr als 500 Pfund würde ich nie für ein Auto ausgeben.“ Und als Kollegin Susanne von unserem Pech hört, bietet sie uns prompt ihren 1984er Polo als Geschenk an. „Keine Schönheit, fährt aber gut.“ Sie brauche ihn nicht mehr.
Freund Martin hingegen kann nicht begreifen, dass wir einen Benziner kaufen wollen, der acht Liter verbraucht. Er hat einen Polo SDI-Diesel für 7.500 Euro erstanden (5 Liter Verbrauch) und ihn für 2.000 Euro auf Rapsöl umgerüstet. „Das Vergnügen, nicht zu Shell fahren zu müssen ist riesig“, meint er. „Kommendes Jahr kriegt er ’nen Rußfilter.“
Wir stehen irgendwo dazwischen. Nie würden wir eine alte Gurke ohne Kat nehmen oder einen rußenden Diesel. Der Wagen soll Euro 3 erfüllen und relativ sparsam sein. Aber mit der Abstimmung von Salatöl auf Rußfilter will ich mich nicht herumschlagen: Etwas bequemer soll das Leben schon werden.
Deshalb muss der Wagen auch groß genug sein. „Was ist, wenn die Kinder mal quengeln?“, fragt meine Frau. „Nur weil große Autos weniger ökologisch sind, zwänge ich mich doch nicht zwischen zwei Kindersitze auf die Rückbank eines Polos!“
Doch die Zweifler stecken mich an. „Vielleicht nehmen wir doch einen älteren Kombi?“, überlege ich laut. „Oder einen drei Jahre alten Citroën Picasso mit Klimaanlage und nur 46tkm?“ Meine Liebste wedelt mit einem Ausdruck aus dem Internet. Sie ist schlau: Seit ich ihn mal als Mietwagen hatte, liebäugele ich mit dem kompakten Van. Aber 10.500 Euro? „Nur zum Testen.“ Sie denkt an alles: „Der steht beim Renault-Händler – da gibt’s auch Scenics, und wir können direkt vergleichen.“
Die Filiale im Nordosten Berlins hat die Ausmaße eines Baumarkts. Der Gebrauchtwagenhändler, ein quirliger Typ, hat keine Zeit – er verkauft gerade einen Laguna. Ein Mechaniker drückt uns die Schlüssel in die Hand. „Fahren Sie erst mal.“ Der kirschrote Picasso ist geräumiger, wenn auch etwas schwerfälliger als der Scenic – dafür liegt er viel besser auf der Straße. Der Kofferraum ist ein Viertel größer, Geheimfächer hinten im Boden – die Familie ist begeistert.
Wir nutzen die Fahrt für einen Zwischenstopp bei Citroën. „Haben Sie vielleicht einen günstigeren Picasso?“, fragt meine Frau den hageren Händler. „Nur den Himmelblauen da drüben für 10.400 Euro.“ Schade.
„Und?“, empfängt uns der Renault-Mann. „Schönes Auto: Leider sprengt er unseren Rahmen. Eigentlichen suchen wir einen günstigeren 99er Scenic.“ – „Habe ich gerade nicht da, aber ich überlasse ihnen den Picasso für 9.500 Euro.“ Der Händler zwinkert uns zu. „Ich reserviere Ihnen den bis morgen, schlafen Sie einfach drüber.“ Und eilt davon, drei neuen Kunden entgegen.
Jetzt wollen wir es wissen. Wir laufen zurück zu Citroën und fragen, den Händler, ob er das Angebot unterbietet. „Ich frag mal den Chef.“ Wieder zurück erklärt der Mann: „9.500 Euro können wir auch.“ Wir wenden ein, dass der blaue Picasso älter ist und mehr gefahren. „30.000 Kilometer mehr bedeutet laut Schwacke-Liste 20 Prozent weniger Wert“, doziere ich. Der Händler ist unbeeindruckt. „Den werden wir so oder so los.“ Immerhin wissen wir nun, dass uns Renault ein gutes Angebot gemacht hat.
„Auf 500 Euro kommt es jetzt auch nicht mehr an!“, entscheidet meine Liebste. „Der Picasso ist ja fast neu.“ Ich gehe auf Nummer Sicher und merke mir den Namen auf dem Fahrzeugbrief. Der Vorbesitzer ist Lehrer: „Ich hatte keinen Ärger“, erzählt er am Telefon. Und der Picasso habe nie mehr als 8 Liter verbraucht, schwärmt er. „Mein brandneuer Scenic schluckt mehr.“
Vier Tage später schreibe ich bei Renault mit zittrigen Fingern „neuntausendfünfhundert“ auf einen Scheck. Hoffentlich ist der Picasso das wert.
Fazit: In ein paar Monaten werden wir wissen, ob der Kauf wirklich perfekt war.
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