: Lustvoll atheistisch dagegen
■ Aktionsbündnis gegen den Katholikentag / Land Berlin bezuschußt das Ereignis mit zwanzig Millionen DM / Gegenaktionen zum offiziellen Katholikentreffen geplant
West-Berlin. Das Aktionsbündnis „Es rettet uns kein höh'res Wesen“ stellte gestern sein Aktionsprogramm zum im Mai stattfindenden Katholikentag vor. „Immer mehr Menschen begreifen, daß die Kirchen keine Antworten auf ihre Fragen haben: Schon jede vierte BerlinerIn gehört heuer keiner Religionsgemeinschaft mehr an. Trotzdem müssen diese Menschen sich vom politischen Einfluß der Kirchen bevormunden lassen.“
Völlig unverständlich sei es laut Bündnis, daß das Land Berlin den vom 23. bis 27. Mai stattfindenden Katholikentag mit 20 Millionen DM bezuschußt, obwohl jeder wisse, daß es sich bei der Katholischen Kirche um eine der reichsten Organisationen dieser Welt handele (bei den Schulden?, säzzer), und das Fehlen von Finanzmitteln im Land Berlin an allen Ecken und Enden beklagt werde. Das nach dem „Dezember -Läuten“ geschlossene Bündnis „Es rettet uns kein höh'res Wesen“ erklärte die strikte Trennung von Kirche und Staat zu seinem Ziel. Mit geistreichen und lustvollen Aktionen zum 90. Katholikentag will man/frau auch den Konfessionslosen und AtheistInnen mehr Gehör verschaffen.
Wo die offiziellen Kirchenvertreter mit konfessionellen und konservativen Argumenten operieren, um allgemeine Un -Zustände zu rechtfertigen und ihre reaktionäre Politik unters Volk zu bringen, wollen die „Bündnis„ -OrganisatorInnen mit Witz und Phantasie gerade diese frauen - und männerfeindliche Politik deutlich machen und die Verflechtung von Kirche und Staat aufknacken. So gehe es der Kirche beim §218 weniger um den Kampf für (ungeborenes) Leben, als vielmehr um den Kampf gegen die Selbstbestimmung der Frauen, betont Dorothee Buhl vom Frauenzentrum (FZ). Besonders gegen die diskriminierende Personalpolitik der Kirche richten sich die Aktionen der Humanistischen Union, erklärte Albert Eckert, der als ehemaliger Vizepräsident des Berliner Abgeordnetenhauses seinerzeit selbst Opfer einer Hetzkampagne wurde. Eberhard Mutscheller von den Freidenkern (DFV) ärgert sich besonders über die „verlogene Berlin -Huldigung“ im Kirchentagsreport, in dem es heißt: „(...) diese faszinierende Vielfalt der Lebensstile und Lebensentwürfe ist für viele anziehend. Diese Heterogenität einer Metropole ist eine Heimstatt für Andersdenkende und Anderslebende„; versucht doch gerade die Katholische Kirche, diese Andersdenkenden und -lebenden zu unterdrücken und auszugrenzen.
An den bisher „kleinen, aber feinen“ Aktionen beteiligen sich außerdem: die AJW (Alternative Jugendorganisation), AHA (Allg. Homosexuellen AG), IBKA (Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten) und MOM (Manometer). Kommet all‘ zum Großen Heiligen Umzug! Am 25. Mai '90 um 16 Uhr vom Adenauerplatz zum Breitscheidplatz. Und wir alle, ob aus Ost oder West, werden ausrufen: Wir sind der Papst!
Eike Sanders
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen