: Lust auf der Waschmaschine
■ Christa Schulte zeigt Frauen das Vergnügen an sich und anderen / Damit es sich entfalten kann, sind geschützte Räume nötig, fernab von Abziehbildern des Superweibs
„Viele Frauen haben mehr ihre Unlust kultiviert als ihre Lust.“ Das sagt Christa Schulte, 48, Psychologin, Tantra-Lehrerin, Lesbe und Autorin des Buches „Tantra für Genießerinnen“. Es ist die Lust, die Christa Schulte kultivieren will. Es geht um Sex und um viel mehr: um die Verbindung „mit dem Herzen“, um Meditation. Und es geht um Würde.
„Wir leben“, sagt Christa Schulte, „in einer Extase-feindlichen Gesellschaft.“ Sexualisierte Bilder gebe es en masse, „aber damit wird nicht wirklich sexuelle Energie entfacht. Jedenfalls nicht bei Frauen.“ Das aber hat die Tantra-Lehrerin zu ihrer Aufgabe gemacht. Nur für Frauen. Auch wenn bei ihren Kursen es stets den Punkt gebe, an dem „die geballte Unlust hereinquillt“, so merkt Schulte doch, dass immer mehr Frauen mehr Lust wollen. „Nicht nur in Rohform, auch in kultivierter Form, zum Beispiel in Verbindung mit dem Herzen.“
Tantra heißt „Verbindung“ und Tantra versucht, „die Kraft der Sexualität zu fördern und mit ihrer Hilfe zu meditieren.“ Es muss nicht gleich die ganz große Extase sein, die die Frauen bei Schulte erfahren, sondern die „kleine Lust im Alltag, die kleine Sinnlichkeit“. Es gebe zu wenig geschützte Räume für Frauen, wo sie sich darüber austauschen können, „wie's geht, wenn's gut geht.“ Ein Beispiel: die Selbstliebe. „Frauen sind viel erfinderischer, als es ihnen immer unterstellt wird, aber sie werden damit oft allein gelassen“, sagt Schulte. Es müsse nicht immer die schon klischeehafte Gurke oder Zucchini sein, es gehe auch mal mit dem Eckenrand der Waschmaschine im Schleudergang. „Da gibt es viele Tipps und Tricks“, weiß die Psychologin inzwischen. Für deren Austausch der würdevolle Kontakt Bedingung ist. Das heißt: „Dass jede ihres machen kann, ohne dass die andere es gleich nachmachen muss.“ Dass die Fassade der Überfrau – „die alternativ-lesbische Feministin, immer aktiv, hochgradig orgiastisch, immer wissend, was sie will“ – außen vor bleibt, ebenso kritisch-taxierende Blicke auf Bauchfalten und andere Details. Statt dessen begegnen sich in Schultes Kursen die Frauen „vom Herzen her“, und wenn das gelinge, schwärmt die Lehrerin, „dann macht es klick: Es ist für viele total heilsam, in Gegenwart einer anderen sich in ihrer Würde und ihrem Stolz auf ihren Körper in ihrer Lust zu zeigen.“ Und dann kann es geschehen, dass „aus jeder meiner Poren feinste Sensoren rauskommen und mich mit den anderen Frauen verbinden.“ Das schließlich mache ein „sensibleres Miteinander“ möglich.
Die eigenen Grenzen ausloten und ein bisschen ausweiten, das begreift Schulte als ihre Aufgabe bei ihren Kursen. Wenn dann „die Unlust hereinquillt“ – zu dick, zu dünn, auf keinen Fall nackt sein – dann sagt die Psychologin: „Ohne Angst geht das hier alles nicht.“ Und: „Ängste sind zum Überwinden da.“
Susanne Gieffers
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