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Lukrativer Schlepperkrieg

■ Bremerhaven könnte vom Preiskampf im Hamburger Hafen profitieren / Holländer dementieren Interesse

Jahrzehntelang war der Hafenbetrieb vor und an den Kajen in der festen Hand von Monopolen. Doch mit der Liberalisierung des EU-Binnenmarktes beginnt die Front zu bröckeln. In Hamburg ist in den letzten Wochen bereits der „Schlepperkrieg“ entbrannt, seit die holländische Firma „Kotug“ die Schlepperdienste um 25 Prozent billiger anbietet als die alteingesessenen Unternehmen. Die URAG, die in Bremen und Bremerhaven das Schleppergeschäft betreibt, hat bereits öffentlich ihre Sorge bekundet, daß Kotug „zur Jahresmitte“ auch in Bremerhaven seine Billig-Dienste anbieten will. Dies hat Kotug-Sprecher Sijnesael gegenüber der taz jedoch bestritten: „In diesem Jahr kommen wir auf keinen Fall nach Bremerhaven.“

Trotzdem zeigt der Hamburger Preiskampf auch an der Weser Wirkung. Denn wenn in Hamburg die Schlepperkosten sinken, müssen auch die Unterweser-Häfen ihre Hafenkosten entsprechend senken, um im Konkurrenzkampf keinen Nachteil zu erleiden. Die URAG hat deshalb bereits zum Jahresende 28 ihrer 140 Stellen abgebaut. Insgesamt arbeiten in den beiden Bremer Häfen rund 400 Personen auf den Schleppern.

Häfensenator Uwe Beckmeyer arbeitet bereits an einer Neufassung der Bremer Hafenordnung. Damit soll verhindert werden, daß „Kotug“ mit seinem Billig-Angebot die lukrativsten Schlepprouten an sich ziehen kann, während die traditionellen Schlepp-Unternehmen für die volle Versorgung rund um die Uhr aufkommen. „Ausreichende Sprach- und Revierkenntnisse“ sollen deshalb in der Hafenordnung für Schleppunternehmen vorgeschrieben werden, so Beckmeyers Sprecher Rüdiger Staats. Außerdem sollen die Unternehmen per Hafenordnung verpflichtet werden, grundsätzlich alle Aufträge anzunehmen, die bei ihnen nachgefragt werden. Damit soll sichergestellt werden, daß auch die wenig lukrative Schlepproute durch die Fischereihafenschleuse weiterhin zu gleichen Kosten bedient wird. Staats: „Rosinenpickerei müssen wir verhindern.“

Von einer solchen Vorschrift hält Kotug-Sprecher Sijnesael allerdings nichts. „Jeder Unternehmer ist frei, Arbeit anzunehmen oder eben nicht“, meint er unter Hinweis auf den freien Wettbewerb in der EU. Daß seine Firma die Schlep-perdienste billiger anbieten kann, das läge daran, daß „wir effektiver arbeiten und modernere Schiffe einsetzen.“

Die Hamburger ÖTV sieht jedoch einen ganz anderen Grund für die Niedrig-Preise der Kotug-Schlepper. Dort arbeiten niederländische Matrosen und eigens angeworbene arbeitslose Kapitäne aus Rostock unter einem in Rotterdam abgeschlossenen „Haustarifvertrag“, der deutlich schlechtere Bezahlung und Arbeitszeitregelungen enthalte, als der deutsche ÖTV-Tarifvertrag.

Um die Billig-Schlepper ist in Hamburg inzwischen auch innerhalb der SPD heftiger Streit entbrannt. Während sich Bürgermeister Henning Voscherau demonstrativ auf die Seite der einstigen Monopolanbieter geschlagen hat, spricht sein ehemaliger Wirtschaftssenator Helmuth Kern vom „rücksichtslosen Preiskartell der Hamburger Schlepperfirmen“, das nun endlich durchbrochen worden sei. Tatsächlich liegt Hamburg bei den Schlepperkosten knapp vor Bremerhaven und weit vor Rotterdam. „Zu teure Hafenkosten gefährden Arbeitsplätze“ - Kern rät deshalb auch der ÖTV, die holländische Konkurrenz zu begrüßen.

„In Hamburg ist Heulen und Zähneklappern“, stellt Beckmeyers Sprecher Staats denn auch nicht ohne heimliche Freude fest. Denn sollte der Schlepperkrieg an der Elbe weiter eskalieren und zu Streiks führen, würde Bremerhaven profitieren. Alle Hafenkosten zusammengerechnet, hat Bremerhaven schon heute die günstigsten Konditionen in der Konkurrenz mit Rotterdam und Hamburg zu bieten. Denn sowohl beim Hafengeld als auch bei den Lotsenkosten ist Bremerhaven deutlich billiger. Und dann ersparen sich die Reeder dort auch noch die achtstündige Schiffsfahrt elbaufwärts und nach dem Umschlag an der Kaje wieder achtstündig elbabwärts. Ase

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