: Love me, love me ...
■ Die stilsichere Leisetreterei der Cardigans, die als Kopisten von Hard'n'Heavy-Songs begannen, paßt zum Radeln in der Sonne
Frühlingszeit, Fahrradzeit. Das Leben wird wieder heller, und endlich läßt es sich wieder prima mit dem guten alten Tretmobil durch die Straßen der Stadt düsen. Und weil alles so wunderbar zu werden scheint, fühlen sich viele ermutigt, auf so einer Tour den einen oder anderen Radiohit hinaus in die Welt zu singen. Eine manchmal zwei-schneidge Angelegenheit. Denn wenn man Pech hat, sitzen einem dabei so angesagte wie unsägliche Chartpickel à la Chers Jetzt-erst-recht-Kanone „Strong Enough“ oder dieses infame „I'm a big, big girl in big, big world“ im Nacken.
Glücklich hingegen darf sich schätzen, wer sich just in diesem Moment der Hitwelt von The Cardigans erinnert. Seit über sieben Jahren geht sie in wohldosierten Abständen über uns nieder, die sanfte Popwelt der südschwedischen Sympathieträger. 1995 hießen die Brummer Carnival und Rise & Shine, und die Band, die sich nach einer Wolljacke benannt hatte, wurde etwas voreilig dem sich neu formierenden Easy-Listening-Lager zugeschrieben. Besonders die japanischen Club- und Stylefreunde taten sich darin hervor, und dabei sehen sich The Cardigans doch als reine Rockband.
So richtig groß aber wurden die fünf Musiker aus dem Miniort Jonkopping erst mit jenem Ohrwurm „Lovefool“, dessen „Love me, love me – say that you love me. Fool me, fool me ...“-Refrain via Leinwand-Großereignis Romeo und Julia vor zwei Jahren massenhaft Kinosäle in Popräume verwandelte. Woran sich kaum wer mehr erinnern mag, ist, daß sich The Cardigans am Anfang ihrer Karriere als brillante Kopisten und stilsichere Neuinterpretierer alter Hard'n'Heavy-Songs hervortaten. Denn damals hätten nur wenige es für möglich gehalten, solch schweres Blasphemiker-Liedgut wie Black Sabbaths „Sabbath Bloody Sabbath“ einem easy lifting unterziehen zu können. Klappte aber ganz hervorragend, genau wie die leicht schleppende Version von Thin Lizzys altem Blues-Metal-Song „The Boys Are Back In Town“.
Heute sind The Cardigans so etwas wie die Antwort Schwedens auf die Wiedergeburt von Roxette oder die deutlich besseren Cran-berries. Nebenbei treten sie noch aus Amüsement in Beverly Hills 902310 auf. Sicherlich alles keine Meilensteine in der Popgeschichte, eher stilistische Leisetretereien. Aber immer noch besser, als sich den Sonnenschein mit schlechten Songs versauen zu lassen. Und das ist doch etwas.
Oliver Rohlf Sa, 6. April, 20 Uhr, Große Freiheit
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen