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Lokalkoloratur

Manchmal hört man es murmeln aus dem Zimmer 640 im sechsten Stock des Hamburger Pressehauses am Speersort. Dann diktiert Marion Gräfin Dönhoff einen ihrer Leitartikel. Jeder Satz sitzt, geändert wird nichts mehr. Denn bei der Zeit gibt es eine Regel: „Die Gräfin“ wird nicht redigiert.

Heute vor 85 Jahren wurde Marion Gräfin Dönhoff auf Schloß Friedrichstein in Ostpreußen geboren. Normalerweise ist das ein Geburtstag, bei dem man die Glückwünsche mit einem Handkuß überreichen und ansonsten ins Salbungsvolle abtauchen würde. Doch bei der Gräfin ist das anders. Von „großer, alter Dame des liberalen Journalismus“ zu faseln, würde sie sich verbitten. Und überhaupt ist sie zwar groß – aber auch alt?

Drei Hannoveraner Punks etwa werden sie als erstaunlich rege in Erinnerung haben. Nach den sommerlichen „Chaos-Tagen“ in ihrer Heimatstadt fanden sie sich plötzlich in der Couchecke von Frau Dönhoffs Büro vor Kaffee und Keksen wieder und sahen sich vehementen Attacken der Zeit-Mitherausgeberin ausgesetzt. Denn daß jemand nicht an die Zukunft glaubt und auch keine rechte Freude an der Arbeit hat, das kann die preußische Adlige mit der bürgerlichen Arbeitsmoral nicht verstehen.

Insofern wünschen wir ihr, die jetzt vom Senat mit der „Professorin“-Ehre bedacht wird, weiterhin viel, viel Arbeit. drk

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