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Lokalkoloratur

Allmählich kann der nur noch wenige Tage amtierende Bürgermeister Henning Voscherau bei seinen Auftritten nicht mehr wählerisch sein. Am Dienstag abend saß er mit Margarethe Schreinemakers, Hanna Schygulla und Gildo Horn – dem Al Bundy der Schlagerbranche, nur erfolgreicher – im Boulevard Bio beisammen. Thema: gute Zeiten, schlechte Zeiten. „Ich bin traurig“sei ja für den kühlen und distanzierten Hanseaten ein „richtiger Gefühlsausbruch“gewesen, staunte Alfred Biolek. „Ein Politiker definiert vor der Wahl seine Quote“, wußte Schreinemakers zum Thema beizutragen. Schygulla trug die Weisheit, daß „es im Leben um die Liebe geht“, vor. Und Horn pries seine Schlagerkonzerte als „große therapeutische Erlebnisse“an, die es „eigentlich auf Krankenschein geben müßte“. Doch Voscherau zeigte an dieser Art Heilung kein rechtes Interesse („ich gewinne lieber“). Bevor er „innerlich kaputt“gehe, kehre er eben in seinen erlernten Beruf zurück. Seine Notarsgehilfinnen freuten sich sogar schon. „Aber Herr Voscherau“, warf Bio ein, „ein Leben als tüchtiger, erfolgreicher, von jungen Damen umgebener Notar“sei ja wohl dennoch „banaler“als das eines Bürgermeisters. So schlimm sei's gar nicht, bekannte Voscherau. Als angesehener Ex-Senatschef würde man auch fürderhin zu Banquets eingeladen. Nur zwischendurch interessiert sich dann niemand für einen. Die letzte Einstellung der Talk-Show war gleichsam Symbol: Schygulla schnabbelte mit Horn, Schreinemakers quasselte mit Bio, und Voscherau saß rechts außen. Ungefragt und allein. sim

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