: Lösung ohne Räumung für die Hafenstraße?
■ SPD mit ihrem Konzept für die ehemals besetzten Häuser festgefahren - Pastoren wollen außerhalb der Parteien vermitteln - Bewohner warten ab
Aus Hamburg Tom Janssen
Heute treffen sich drei Pastoren sowie ihr zuständiger Probst, um mit dem SPD–Fraktionsvorsitzenden der Hamburger Bürgerschaft, Henning Voscherau, über die Zukunft der besetzten Häuser in der Hafenstraße zu sprechen. Das Gespräch vermittelte nach einer ergebnislosen Vorrunde mit dem SPD–Landesvorsitzenden Ortwin Runde vor Weihnachten letzten Jahres, Hamburgs oberster geistlicher Würdenträger, Landesbischof Martin Krusche. Die Gesprächsbereitschaft der SPD, geschah nicht ganz freiwillig. Ab 1982 war die besetzte Häuserfront in der Hafenstraße innenpolitischer Zankapfel. Da eine Bürgerschaftswahl anstand, wurden den Besetzern Übergangsmietverträge angeboten, die nun zum 1.1.1987 auslaufen sollten. Doch die so legalisierten Bewohner pochten auf ihr Recht, nach ihrer Faon auch über den angegebenen Stichtag glücklich zu werden. Die SPD sah ihr Konzept, zum 800. Geburtstag des Hafens dort eine Prachtfassade zu errichten, in Gefahr und schlug erst mit kleinli chen Schikanen und dann, als die Bewohner sich wehrten, mit immer mehr Polizei zurück. Zur Bürgerschaftswahl 1986 war die Situation endgültig festgefahren. CDU, große Teile der SPD und die Presse sahen in den Häusern nur noch das verhaßte Symbol eines rechtsfreien Raums, die Bewohner dagegen ein Symbol des „Widerstands gegen Bullenterror und Senatsschikanen“. Die Hafenstraße wurde zum Wahlkampfthema Nr. 1. Nach der Wahlniederlage vom 9. November 1986 mußten sich die Elb–Sozis auf ihrer ersten Landesvorstandssitzung Eschreckendes vorrechnen lassen. Der eigene Justizsenator erklärte den Genossen, daß sie sich eine Räumung abschminken könnten. Bei geschicktem Verhalten der Bewohner und ihrer Anwälte könnte sich dieser Prozeß noch jahrelang hinziehen. Der immer auf Verhandlungen drängende und aus innerparteilichen Gründen kaltgestellte Bauexperte Michael Sachs warf seinen Genossen Versagen auf jeder Linie vor. Das bisherige Verhalten der Behörden habe dazu gedient, die Bewohner um einen harten Kern zu solidarisieren. Das war der Humus, auf dem selbst bei rechten Hardlinern Verhandlungsbereitschaft wuchs. Die bisher belächelte oder diffamierte Initiative dreier Pastoren der für die Hafenstraße zuständigen Gemeinden bekam dabei neues Gewicht. Zuerst wollte man die Pastoren für ein typisch sozialdemokratisches Projekt gewinnen: Die Bewohner sollten die Häuser freiwillig räumen, um sich in Wohngemeinschaften verstreut über die Altstadt sozialtherapeutisch grunderneuern zu lassen. Die Bewohner lachten nur und bereiteten sich verbal und auch anders auf die letzte Räumungsschlacht vor, die Pastoren lehnten ab. In einem Interview mit der Lokalausgabe der taz in Hamburg machte der Wortführer der geistlichen Würdenträger, Pastor Christian Arndt, seinen Standpunkt unmißverständlich klar: „Bisher ist es allen drei Parteien nicht gelungen, eine Vermittlungslösung für die Hafenstraße zu finden. Im Gegenteil, das Thema Hafenstraße verkam zum Parteienstreit.“ Arndts Konse quenz aus dieser Parteienschelte, die mittlerweile von seiner Kirche mitgetragen wird: Eine unabhängige Kommission aus Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und Bewohnern, die mit dem Senat verhandeln soll. Während dieser Zeit soll ein Räumungsmoratorium gelten. Genau dieses Räumungsmoratorium bereitet dem Senat Bauchschmerzen, befürchtet er doch, Rechtstitel zu verlieren. Stattdessen brütete er zwischen Weihnachten und Neujahr einen neuen Vorschlag aus. Nunmehr sollen nur die für den Abriß vorgesehenen Häuser der Birne zum Opfer fallen, der übrige Wohnraum (ca. 2/3 des Bestandes) könnte nach Verhandlungen den Bewohnern über einen alternativen Träger zur Verfügung gestellt werden. Dieser auf den ersten Blick sensationelle Vorschlag hat allerdings zwei Pferdefüße. Für die abzureißenden Häuser hat ein Planerbüro festgestellt, daß sie zu erhalten sind. Weiter formulierte der Senat eine Gummibedingung für ihm genehme alternative Bewohner: Sie müßten gewaltfrei sein und auf dem Boden des Rechtsstaates stehen. Kommentar einiger Bewohner: „Wir lassen uns nicht spalten!“
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