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Archiv-Artikel

Löcher noch und nöcher

Was den Kanzler freut, bringt den Senat in die Bredouille: Heute beschließt er den Haushaltsentwurf. Weil Schröder die Steuerreform auf 2004 vorzieht, fehlen Berlin weitere 430 bis 460 Millionen Euro

von STEFAN ALBERTI

Die Nachricht kam schlicht in fünf Zeilen daher, war überschrieben mit „Senatssitzung mit Open End“. Besser ließe sich die Misere der Landesfinanzen nicht symbolisieren. Wenig scheint klar vor der heutigen Entscheidung des Senats über den Haushaltsentwurf für die kommenden zwei Jahre, am wenigsten, wann der Beschluss spruchreif ist. Nicht dass die Lage bislang einfach gewesen wäre mit rund 50 Milliarden Euro Schulden. Aber die mit einer vorgezogenen Steuerreform verbundenen Einbußen rücken das Ziel eines auch nur annähernd ausgeglichenen Haushalts in noch weitere Ferne.

Setzt die rot-grüne Bundesregierung die dritte Stufe der Steuerreform, eigentlich für 2005 geplant, bereits im nächsten Jahr um, kostet das den Berliner Haushalt 430 bis 460 Millionen Euro. Die Finanzverwaltung des Senats ging mit diesen Zahlen noch deutlich über die am Wochenende von Senatssprecher Michael Donnermeyer genannten 300 Millionen hinaus: Zu dieser Summe kämen noch um 130 bis 160 Millionen Euro verringerte Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich. Das neue Loch soll laut Donnermeyer bei den Haushaltsberatungen im Abgeordnetenhaus gestopft werden, das den Doppelhaushalt 2004/2005 nach derzeitiger Planung Mitte Dezember beschließt.

Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sagte nach Agenturangaben zwar, er unterstütze den Beschluss der Bundesregierung. Allerdings erwarte er „ihre Gegenfinanzierung durch einen mutigen Abbau von Subventionen, der auch unsere Steuerausfälle decken würde.“ Hier müssten CDU und CSU endlich Farbe bekennen.

Deren Parteifreunde im Abgeordnetenhaus forderten von Wowereit, das angekündigte Konsolidierungsprogramm für die Berliner Finanzen mit dem heutigen Haushaltsentwurf vorzulegen. „Sollte dies dem Senat nicht gelingen, hätte er in meinen Augen seinen Anspruch auf verantwortliche Gestaltung in dieser Stadt endgültig verloren“, sagte CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer.

Der rot-rote Senat hatte nach einer Klausurberatung vor zwölf Tagen bereits einige Punkte des Entwurfs durchblicken lassen, den er heute präsentieren will. Konkrete Zahlen über die Sparsumme – ursprünglich geplant: 1,5 bis 2 Milliarden Euro – und die Neuverschuldung – angeblich um die 5 Milliarden – nannte die Landesregierung dabei nicht.

Festgelegt aber hat sich der SPD-PDS-Senat unter anderem darauf, bei der Polizei in den nächsten beiden Jahren 550 Stellen abzubauen, Kita-Gebühren für Besserverdiener zu erhöhen und Studienkonten einzuführen. Ganz einschneidende Kürzungen bei der Sozialhilfe – Finanzsenator Thilo Sarrazin wollte sie auf Brandenburger Niveau senken – blieben zwar aus. Dafür wird aber das Kleidergeld vereinheitlicht und damit vor allem für Jugendliche gekürzt. Zudem soll der Senatszuschuss zur BVG-Sozialkarte wegfallen.

Das Open End lässt heute nicht nur die Medien warten, bis Wowereit Zahlen vorlegt. Auch Mitglieder seiner SPD-Fraktion müssen sich gedulden, so ein Abgeordneter: „Um 17 Uhr sollten wir Bescheid bekommen. Aber das kann man wohl knicken.“