: Lobby für Wackeltiere
■ PädagogInnen berieten, wie Kinderspielplätze spannender werden können
Der Lebens- und Spielraum für Kinder wird immer enger. In den Städten gibt es inzwischen kaum noch Flächen, die nicht als Wohnraum, Straßen oder öffentliche Gebäude ausgewiesen sind. „Eigentlich sollte es selbstverständlich sein, daß Kinder immer und überall spielen,“ sagt Hans-Günter Schwalm vom Amt für Soziale Dienste Süd. Doch das ist zu gefährlich. „Kinderspielplätze sind heute nur noch Reservate“, meint Schwalm. Und wie Reservate sehen sie oft auch aus: ohne viel Liebe mit Spielgeräten von der Stange vollgestellt. Wenn die Kinder diese Plätze nicht annehmen, verlieren sie auch noch den letzten Platz in der Stadt, der ihnen eigentlich zugedacht sein sollte.
Um das zu verhindern, hat sich von Montag bis Mittwoch eine Gruppe von PädagogInnen, StadtplanerInnen und BehördenvertreterInnen den Kopf zerbrochen, wie Kinderspielplätze attraktiver gestaltet werden könnten. Denn von den insgesamt 230 öffentlichen Spielplätzen in Bremen sind nach Angaben der Sozialbehörde fast 90 Prozent „auf dem Reißbrett geplant“ – ihre Akzeptanz durch Kinder und AnwohnerInnen ist sehr unterschiedlich. „Es kommt nicht auf die Spielgeräte an, sondern auf ihre seelische Einbindung in die Welt der Kinder“, hieß es. Die Gruppe forderte daher, daß die Plätze zusammen mit den Betroffenen – nämlich Kindern und AnwohnerInnen – geplant werden sollten, daß sie weg von der langweiligen Norm hin zu eigenem Charakter finden und die kleinen BenutzerInnen zu sozialem Verhalten anregen sollten.
In den Niederlanden ist man da wieder einmal viel weiter. Cees van der Grift vom „Nationalen Verein für Spielen und Jugendfreizeit“ aus Utrecht: „Deutschen Kindergärten fehlt das Besondere. Hier sehen die Spielplätze in Dortmund so aus wie die in Hamburg.“ In den Niederlanden sind nach seinen Angaben unter Mitwirkung der Eltern Spielplätze mit Bezug zu ihrer Umgebung entstanden. „In der Nähe eines Bahnhofs haben die Spielzeuge mit Zügen zu tun, am Hafen mit Schiffen. Und in einem Stadtviertel mit einem hohen Anteil von Alkoholikern steht auf dem Spielplatz ein großer Korkenzieher.“
Spielplätze selber zu gestalten erfordert das Engagement der Eltern. Trotzdem kann sich nicht jeder auf einem öffentlichen Spielplatz seine eigene Rutsche zusammenzimmern: die TÜV-Bestimmungen über die Sicherheit der Geräte müssen eingehalten werden. Beim Spielplatzbau planen das Amt für Soziale Dienste und das Gartenbauamt oft noch aneinander vorbei, so die Meinung der Runde: „Wir müssen beide Professionen an einen Tisch bekommen.“
Dabei läßt sich mit ein bißchen Kooperation viel erreichen, zeigt ein Beispiel: Bei der Aufstellung von „Wackeltieren“ auf einem neugebauten Spielplatz protestierten die Eltern: Die Tiere gehörten ihrer Meinung nach auf die Wiese, wo die Kinder von den Eltern beobachtet werden konnten. Sie wurden umgesetzt und alle waren zufrieden. Die Gestaltung der Plätze nach den Wünschen der Kinder trägt denn auch nach Meinung der PädagogInnen dazu bei, Vandalismus einzudämmen und wirke sogar als Vorbeugung gegen Entwicklungsrückstände bei Kindern. In Zukunft, kündigte Schwalm an, wolle man sich mehr für die Belange der Kinder in der Politik einsetzen: „Wir wollen eine Lobby für Kinderspielplätze entwickeln.“ bpo
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