■ Mit Umweltmeinung auf du und du: Lob ohne Taten
Berlin (taz) – In Ostdeutschland wird die Arbeit von Umweltministerin Angela Merkel offenbar als sehr wirkungsvoll wahrgenommen. So zumindest stellte sie es gestern selbst dar. 51 Prozent der neuen BundesbürgerInnen schätzen die Umweltverhältnisse daheim als gut oder sehr gut ein. Vor fünf Jahren waren es nur 4 Prozent. Die Wessis sind da skeptischer: Nur 12 Prozent sind der Meinung, daß die Ökosituation in den neuen Bundesländern so positiv ist. Merkels Schlußfolgerung: „Die unterschiedliche Auffassung ist ein weiterer Beleg dafür, daß die Kenntnis Westdeutscher über die Situation in den neuen Bundesländern nicht auf eigener Erfahrung beruht.“
Unbestritten ist, daß sich viele Umweltparameter aufgrund der zusammengebrochenen Industrie verbessert haben. Doch obwohl 57 Prozent der Ostdeutschen große Fortschritte beim Gewässerschutz festgestellt haben, bescheinigte der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Elbe kürzlich, „immer noch zu den am stärksten belasteten Gewässern ihrer Größenordnung in Europa“ zu gehören.
Auch das Trinkwasser auf der Ostseite der Elbe ist noch weit davon entfernt, gut oder sehr gut zu sein: Laut Umweltbundesamt überschreiten Nitrat, Ammonium und andere Chemikalien regelmäßig die Grenzwerte. Während die Wessis die Umwelt auf Platz drei der Problemliste Deutschlands hinter Arbeitslosigkeit und Kriminalität einordnen, sorgen sich die Ossis zusätzlich noch mehr um den Erhalt des Sozialstaats. Trotzdem haben über 60 Prozent der Bevölkerung apokalyptische Vorstellungen: Sie meinen, ohne ein Umsteuern bei der Umweltpolitik komme es zur Katastrophe. Um die abzuwenden, sollen allerdings in erster Linie andere ihr Verhalten ändern: Nur 37 Prozent der Wessis und 27 Prozent der Ossis wären bereit, für umweltgerecht hergestellte Produkte auch höhere Preise zu zahlen. Bei Steuern und Abgaben ist die Bereitschaft noch weitaus geringer: 21 beziehungsweise 13 Prozent der Leute wollen für staatlich organisierten Umweltschutz aus ihrer Haushaltskasse etwas abgeben.
Und beim geliebten Auto hört dann der Einsatz für eine bessere Umwelt für die meisten restlos auf: 65 Prozent der Wessis und 64 Prozent der Ossis nutzen die eigene Blechkiste für den Wochenendausflug, 57 Prozent der Alt- und 53 Prozent der NeubundesbürgerInnen fahren damit zur Arbeit. Besonders im Osten steigt der Trend, die tonnenschweren Fahrzeuge zum Transport von nur einer Person zu nutzen. Doch bei der Forderung nach einem besseren Nahverkehrsangebot sind dann fast alle wieder dabei: Über 90 Prozent Ja-Stimmen. Annette Jensen
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