Lisa Paus ist neue Familienministerin: Entschlossen auf neuem Posten
Bekannt ist Lisa Paus vor allem für ihre Finanzpolitik. Nun übernimmt sie als Nachfolgerin von Anne Spiegel die Position der Familienministerin.
Während der Pressekonferenz zu ihrer Vorstellung am Nachmittag erklärte die bisherige stellvertretende Fraktionschefin, dass sie „natürlich einen Riesenrespekt vor dieser Aufgabe“ habe, aber dennoch bereit sei. Sie wolle in ihrem neuen Amt und im Ministerium neue Impulse setzen, „und das aus voller Überzeugung“. Ihre Prioritäten seien dabei neben gesellschaftlich viel diskutierten Themen wie der Streichung des Paragraphen 219a, der Informationen über Schwangerschaftsabbrüche verbietet, auch Politik für Senior:innen, das Demokratiefördergesetz, Lohntransparenz sowie die Lage von Alleinerziehenden.
Bisher lagen Paus Schwerpunktthemen nicht im Bereich der Familien- und Senior:innenpolitik. Vielmehr war ihre politische Karriere bislang auf die Finanz- und Wirtschaftspolitik ausgerichtet. Erstmals zog sie im Jahr 2009 über die Berliner Landesliste in den Bundestag ein und wurde Mitglied des Finanzausschusses, auch in den folgenden Legislaturperioden lagen ihre Schwerpunkte auf Finanzen, Haushalt, Wirtschaft sowie Arbeit und Soziales.
Im Juli 2020 kritisierte sie im Gespräch mit der taz den damaligen Finanzminister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz für seinen Umgang mit der Wirecard-Affäre. Außerdem forderte sie, dass Scholz bei der Neubesetzung des Chefpostens bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf „Leute von außerhalb und mit Marktexpertise“ zurückgreift.
Kindergrundsicherung statt Ehegattensplitting
Und ihre Expertise zum Thema Familie? Seit langen setzt sich Paus für das Konzept der Kindergrundsicherung ein. Bereits im Jahr 2012 erklärte sie in einem Papier, dass das Ehegattensplitting „naturphilosophisch“ nicht gerechtfertigt werden könnte. Das Grundgesetz stelle die Ehe zwar unter besonderem Schutz vor Benachteiligung, doch daraus folge „keine auf die Ehe begrenzte Vorteils-Exklusivität“.
Auch das Familiensplitting sei keine sinnvolle Alternative, stattdessen sei eine Individualbesteuerung sowie die Kindergrundsicherung notwendig. Denn diese sei eine vom Trauschein unabhängige, „auf Familien zugeschnittene Förderung“.
Die Kindergrundsicherung ist im Koalitionsvertrag jetzt tatsächlich vorgesehen, die Umsetzung gestaltet sich allerdings kompliziert. Paus will der Arbeit daran Priorität einräumen und erhofft sich ein Instrument, das „wirksam vor Armut schützt“. Sie erinnere sich „noch sehr gut an den Moment“, als die Grünen einst das Konzept der Kindergrundsicherung zum Programm erklärten.
Paus sei „genau richtig“ für diesen Job
Abgesehen von diesem Entwurf des Familienbudgets, das der grüne Parteitag 2016 zu seinem neuen Familienförderungskonzept gewählt hat, hält sich Paus' Expertise zum Thema Familie in Grenzen. Die Flügelfrage – wäre eine Vertreterin des Realo-Flügels Ministerin geworden, wären die Parteilinken im Kabinett klar in die Unterzahl geraten – dürfte bei ihrer Auswahl eine mindestens ebenso große Rolle gespielt haben wie die familienpolitische Erfahrung. Parteikolleginnen verweisen dennoch auf Paus fachliche Eignung.
Nina Stahr, grünes Mitglied des Familienausschusses und stellvertretendes Mitglied der Kinderkommission, bezeichnet Paus als eine „ausgezeichnete Wahl“ und „genau richtig für diesen Job“. Gegenüber der taz erklärt sie, dass Paus „die Kindergrundsicherung als eines der wichtigsten familienpolitischen Projekte dieser Bundesregierung maßgeblich vorangetrieben“ habe. Ferner stehe Paus für eine feministische Politik und setze sich „gegen Kinderarmut und für die Stärkung Alleinerziehender“ ein.
Parteikollegin Sabine Grützmacher ergänzt, dass sie sich sehr über die Entscheidung freue, und dass Paus mit Leidenschaft „für soziale Gerechtigkeit und vor allem für das Konzept der Kindergrundsicherung gekämpft“ habe.
Auch die Abgeordnete Maria Klein-Schmeink ist sich sicher, dass Paus „eine moderne und gerechte Familienpolitik engagiert vorantreiben“ werde. Überdies sei sie „eine erfahrene Finanzpolitikerin“, und kenne als Alleinerziehende „die familienpolitische Wirklichkeit hautnah“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz