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Linksfraktionsvorsitzende über den Verfassungsschutz"Ich bin doch kein Staatsfeind"

Die Beobachtung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz ist rechtmäßig, entschied das Bundesverwaltungsgericht. Die niedersächsische Fraktionsvorsitzende Flauger fühlt sich diskriminiert.

Linkspartei darf beobachtet werden: Die Vorgeschichte neuer Mitarbeiter wird deshalb überprüft - aus Angst vor V-Männern. Bild: dpa
Interview von Wolfgang Denzler

taz: Frau Flauger, ihre Partei wird mit nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht. Angeblich kommen auch V-Leute zum Einsatz. Können Sie ihrem Umfeld noch vertrauen?

Kreszentia Flauger: Ich versuche, nicht allzu viel darüber nachzudenken. Natürlich schauen wir genau auf die Vorgeschichte neuer Mitarbeiter. Ein ungutes Gefühl bleibt aber. Man sieht es den Leuten nicht an ob sie für den Verfassungsschutz spionieren. Aber ich stehe auch zu all meinen Äußerungen.

Gibt es Anzeichen für die Überwachung?

Bei mir nicht. Aber Kollegen wundern sich schon manchmal, wenn es im Telefon komisch klickt. Man darf aber nicht paranoid werden. Die Linke hat nichts zu verbergen.

Trotzdem stört Sie die Beobachtung.

Natürlich. Der niedersächsische Verfassungsschutz ist doch keine neutrale Behörde, sondern ein verlängerter Arm der konservativen Landesregierung. Die beobachten uns seit 2003 und haben rein gar nichts gefunden. Die Aktion ist Selbstzweck, uns soll ein Makel angehängt werden.

Klage gegen Überwachung

Das Bundesamt für Verfassungsschutz darf weiter Informationen über Bundes- und Landtagsabgeordnete der Linkspartei sammeln.

Der Fraktionschef der Linken in Thüringen Bodo Ramelow kämpfte am Mittwoch erfolgslos vor dem Bundesverwaltungsgericht dagegen vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden.

Wie das Gericht erklärte, stellte die Vorinstanz zurecht fest, dass Teile der Partei verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen.

Bereits vor der Verhandlung hatte Ramelow angekündigt, er werde bei einer Niederlage Verfassungsbeschwerde einlegen.

Kreszentia Flauger, 44, war von 2007 bis 2008 Landesvorsitzende der Linken in Niedersachsen, seit 2008 ist sie Fraktionsvorsitzende.

Und den wollen Sie wegklagen?

Klar, müsste die Beobachtung eingestellt werden, würden viele Wähler und Mitglieder anderer linker Parteien Vorbehalte gegen uns verlieren.

Warum wird ihr Landesverband besonders scharf beobachtet?

Weil Innenminister Schünemann sich profilieren will. Die niedersächsische Linke ragt in Sachen Radikalität nicht aus den anderen Landesverbänden heraus. Trotzdem wächst der Druck.

Wie wirkt sich das aus?

Neulich sorgte sich ein pensionierter Beamter, ob ihm Nachteile entstehen könnten wenn er bei uns Mitglied wird. Das Innenministerium wollte das nicht ausdrücklich ausschließen! Das ist diskriminierend - ich bin doch kein Staatsfeind!

Bekennt sich Ihre gesamte Partei zur Verfassung?

Natürlich. Da gibt es klare Beschlüsse. Für alle Mitglieder kann man aber in keiner Partei die Hand ins Feuer legen. Auch in anderen Parteien gibt es verbale Entgleisungen.

Zum Beispiel?

Vor zwei Jahren schlug der Vorsitzende eines CDU-nahen Studentenbundes vor, das Wahlrecht von Hartz-IV-Beziehern und Rentnern einzuschränken. Das nenne ich verfassungsfeindlich!

Einige Ihrer Kollegen fordern dagegen die Enteignung von Familienbetrieben oder die Verstaatlichung von Banken.

Letzteres lässt das Grundgesetz sogar zu und die Bundesregierung hat es in der Krise in die Tat umgesetzt. Seither wird es schwieriger, uns als Verfassungsfeinde darzustellen. Nun schwenken die Kritiker um und fordern von uns klare Distanzierung von gewaltbereiten Gruppen. Und erwähnen im Nebensatz das Reizwort Terrorismus.

Und welches Konzept haben Sie für den Umgang mit Radikalen?

Von uns angemeldete Demos verlaufen überwiegend friedlich. Trotzdem können sich immer Randalierer untermischen. Wir versuchen bei Gewalt sofort zu deeskalieren. Aber sollen wir von vornherein alle rausschmeißen die schwarz angezogen sind? Das gleiche gilt bei unseren Mitgliedergruppierungen. Wenn wir uns scheibchenweise von allem trennen, was anderen nicht passt, bleibt nichts mehr übrig.

Das SED-Regime setzte Informelle Mitarbeiter (IM) auf die Opposition an. Heute haben Sie Probleme mit V-Leuten. Ein Treppenwitz der Geschichte?

Das hätten einige gerne. Wir haben uns immer gegen die Stasi positioniert. Die Bespitzelung bis ins Privateste war verwerflich, ohne Frage. Aber wann hat sich Angela Merkel von ihrer Tätigkeit als FDJ-Funktionärin für Agitation und Propaganda distanziert? Eine CDU-Mitgliedschaft wäscht offenbar blütenweiß rein.

Sollten alle Parteien nicht mehr überwacht werden?

Erstmal setzten wir uns gegen die Überwachung der Linken ein. Im zweiten Schritt für die Abschaffung des Verfassungsschutzes. Rechte Kriminelle müssen polizeilich überwacht werden. Geheimdienste sind wegen der Geheimhaltung nicht demokratisch kontrollierbar. Ziel muss es sein, die Bürger zu mehr Aufmerksamkeit, Beobachtungsfähigkeit und kritischen Denken zu erziehen.

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